Leitsatz (amtlich)
1. Die Kosten einer Schutzschrift, die vorsorglich zur Verteidigung gegen einen erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht worden ist, sind grundsätzlich auch dann erstattungsfähig, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag bei diesem Gericht eingeht und dieser zurückgenommen wird, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (BGH, Beschl. v. 13.2.2003 - I ZB 23/02, MDR 2003, 655 = BGHReport 2003, 463; Beschl. v. 10.4.2003 - I ZB 33/02).
2. Die Verfahrensgebühr nach RVG VV-Nr. 3100 ermäßigt sich in diesem Falle nicht nach RVG VV-Nr. 3101, weil mit der Schutzschrift ein Schriftsatz eingereicht wurde, der Sachvortrag enthält.
Normenkette
RVG-VV Nrn. 3100-3101
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 10.02.2006; Aktenzeichen 1 O 463/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 10.3.2006 gegen den in Abhilfe der Beschwerde der Antragsgegnerin ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mönchengladbach - Rechtspflegerin - vom 10.2.2006 (Bl. 48 f. GA) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe
Die am 10.3.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin (Bl. 53 f. GA) gegen den ihr am 24.2.2006 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.2.2006 (Bl. 48 ff. GA) ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat die Rechtspflegerin bei der Kostenfestsetzung - wie von der Antragsgegnerin unter dem 6.7.2005 beantragt (Bl. 4 GA) - eine 1,3 Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3100 i.H.v. 11.694,80 EUR berücksichtigt. Diese Gebühr ist nicht - wie die Antragstellerin meint - nach RVG-VV Nr. 3101 Nr. 1 auf eine 0,8 Verfahrensgebühr zu ermäßigen.
Einigkeit besteht darüber, dass die Kosten einer Schutzschrift, die vorsorglich zur Verteidigung gegen einen erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht worden ist, grundsätzlich auch dann erstattungsfähig sind, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag bei diesem Gericht eingeht und dieser zurückgenommen wird, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (BGH v. 13.2.2003 - I ZB 23/02, MDR 2003, 655 = BGHReport 2003, 463; v. 10.4.2003 - I ZB 33/02). Die Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach richtet sich insoweit nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO und wird von dem Inkrafttreten des RVG nicht berührt.
Anders verhält es sich in Bezug auf die Frage, ob die Verfahrensgebühr in voller Höhe festzusetzen ist oder eine Reduzierung eintritt. Der BGH hat in den zitierten Entscheidungen (ausführlich im Beschluss vom 13.2.2003) unter Geltung der BRAGO ausgeführt, dass eine Reduzierung der Verfahrensgebühr nach § 32 Abs. 1 BRAGO nicht in Betracht komme, weil die in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift enthaltenen Anträge keine Sachanträge i.S.d. § 32 Abs. 1 BRAGO seien. Sie leiteten kein Verfahren ein, brächten kein Verfahren in Gang, sonder äußerten sich lediglich zu einem erwarteten Verfahren. Sie erstarkten auch nicht in einen Antrag, wenn später ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt werde, weil dieser aus vielen Gründen von dem Gegenstand der Abmahnung und Schutzschrift abweichen könne. Der Antrag in einer Schutzschrift könne nur als Anregung an das Gericht aufgefasst werden, in einer bestimmten Weise zu verfahren. Zum hier anwendbaren RVG haben in der obergerichtlichen Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bislang lediglich das OLG Hamburg und das OLG Nürnberg Entscheidungen getroffen.
Das OLG Hamburg hat in seinem Beschl. v. 22.4.2005 - 8 W 62/05 (OLG Hamburg v. 22.4.2005 - 8 W 62/05, MDR 2005, 1196 = OLGReport Hamburg 2005, 564) an die Rechtsprechung des BGH zu § 32 BRAGO angeknüpft und darauf abgestellt, dass sich die Rechtslage insoweit nicht geändert habe. Der Umstand, dass die Schutzschrift Sachvortrag enthalte, reiche für sich allein nicht aus, eine 1,3 Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3100 auszulösen. Eine solche Interpretation würde die Bedeutung des reduzierten Gebührentatbestandes der RVG-VV Nr. 3101 zu sehr einschränken und wäre mit der Systematik des Gesetzes nicht vereinbar.
Demgegenüber hat das OLG Nürnberg in seinem Beschluss vom 11.4.2005 - 5 W 262/05 (OLG Nürnberg v. 11.4.2005 - 5 W 262/05, OLGReport Nürnberg 2005, 397 = MDR 2005, 1317 f.) auf den Wortlaut der an die Stelle des § 32 Abs. 1 BRAGO getretenen Reduzierungstatbestandes nach RVG-VV Nr. 3101 abgestellt. Danach tritt die Ermäßigung u.a. dann nicht ein, wenn der Rechtsanwalt bereits einen Schriftsatz, der Sachvortrag enthält, eingereicht hat. Insoweit habe der Gesetzgeber bewusst den Sachantrag nicht mehr als ausschlaggebend erachtet.
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Diese entspricht dem Wortlaut der RVG-VV Nrn. 3100 und 3101 Nr. 1 und dem im Zuge ihrer Schaffung geäußerten Willen des Gesetzgebers. Der Gebührenermäßigungstatbestand der RVG-VV Nr. 3101 Nr. 1 hat den Wortlaut des § 32 Abs. 1 BRAGO ü...