Leitsatz (amtlich)
1. Sind die Verfahrensbevollmächtigten des Besichtigungsgläubigers - entsprechend den Gepflogenheiten im Düsseldorfer Verfahren - dazu verpflichtet worden, alle Tatsachen geheim zu halten, die im Zuge des selbständigen Beweisverfahrens zu ihrer Kenntnis gelangen und die den Geschäftsbetrieb des Besichtigungsschuldners betreffen, und zwar auch gegenüber dem eigenen Mandanten (= Besichtigungsgläubiger), und hat der Besichtigungsschuldner im Rahmen der Diskussion um die Freigabe des Besichtigungsgutachtens dazu vorgetragen, dass von ihm beim Vertreib seiner Produkte - näher spezifizierte - Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen werden, wobei er sich im parallelen Rechtsbestandsverfahren umgekehrten Rubrums darauf beruft, dass der Gegenstand des Antragspatents mit Rücksicht auf behauptete eigene offenkundige Vorbenutzungen nicht schutzfähig sei, so ist ein Antrag des Besichtigungsgläubigers auf gerichtliche Entscheidung darüber zulässig, dass die betreffenden Behauptungen zu angeblichen Geheimhaltungsvorkehrungen nicht unter die verfügte anwaltliche Schweigepflicht fallen, so dass der Besichtigungsgläubiger in die Lage versetzt wird, im Rechtsbestandsverfahren zu dem einer Offenkundigkeit widersprechenden Einlassung des Besichtigungsschuldners vorzutragen.
2. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Besichtigung befasste Gericht, welches die in ihrer Reichweite auszulegende Verschwiegenheitsanordnung getroffen hat.
3. Die Einlassung des Besichtigungsschuldners zu den Geheimhaltungsvorkehrungen ist jedenfalls dann von der anwaltlichen Schweigeverpflichtung auszunehmen, wenn der Besichtigungsschuldner an ihnen kein das Offenlegungsinteresse überwiegendes Geheimhaltungsinteresse darlegen kann.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4c O 98/18) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 08.10.2020 (4c O 98/18) in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.11.2020 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 01.10.2019 wird im Umfang der S. 23 bis S. 29 (ausgenommen S. 29 letzter Absatz) freigegeben; Rechtsanwalt A. sowie Patentanwalt B. werden insoweit von ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung gemäß Ziffer II.9. des Beschlusses der 4c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 14.01.2019 entbunden.
II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
V. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt EUR 17.500,00.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Geheimhaltungspflicht im Hinblick auf einen Teil eines Schriftsatzes der Antragsgegnerin, den sie in einem Besichtigungsverfahren eingereicht hat.
Die Antragstellerin (Besichtigungsgläubigerin) hat die Antragsgegnerin im Wege eines Besichtigungsverfahrens (Düsseldorfer Verfahren) in Anspruch genommen. Mit Beschluss vom 14.01.2019 hat das Landgericht Düsseldorf die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens mittels Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Frage der Verletzung des Antragspatents (dem deutschen Teil des EP ...) angeordnet und zugleich die Antragsgegnerin per einstweiliger Verfügung unter anderem zur Herausgabe bestimmter Dokumente zu Servicemodulen verpflichtet. In Ziffer II.9. des Beschlusses heißt es mit Blick auf die Verfahrensbevollmächtigten der Besichtigungsgläubigerin:
"Rechtsanwalt A. und Patentanwalt B. werden verpflichtet, Tatsachen, die im Zuge des selbstständigen Beweisverfahrens zu ihrer Kenntnis gelangen und den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin betreffen, geheim zu halten, und zwar auch gegenüber der Antragstellerin und deren Mitarbeitern."
Über die von der Antragstellerin beantragte Herausgabe des zwischenzeitlich erstellten Gutachtens an sie persönlich hat der Senat im Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 22.06.2020 (I-2 W 10/20) entschieden. Hierin hat der Senat die Herausgabe einer teilgeschwärzten Fassung des Gutachtens und bestimmter Anlagen angeordnet. Rechtsanwalt A. und Patentanwalt B. sind im Umfang der Herausgabe von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden worden.
Mit Schriftsatz vom 15.09.2020 beantragt die Antragstellerin, festzustellen, dass die Ausführungen der Antragsgegnerin in deren Schriftsatz vom 01.10.2019 auf den Seiten 23 bis 29 (ausgenommen S. 29 letzter Absatz) nicht unter die Verschwiegenheitsverpflichtung des Rechtsanwalts A. im Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 14.01.2019 (dort Ziffer II.9.) fallen. Nach der Zurückweisung des Antrags durch das Landgericht Düsseldorf stellt die Antragstellerin in ihrer sofortigen Beschwerde den weiteren, hilfsweisen Antrag, den oben genannten Schriftsatzauszug freizugeben und die Verschwiegenheitsverpflichtung des Rechtsanwalts A. sowie des Patentanwalts B. insoweit aufzuheben.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und auch den Hilfsantrag zurückgewiesen.
Zur Begründung ihrer Anträg...