Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Steuerberater im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung nach den unterschiedlichen Möglichkeiten der steuerlichen Förderung gefragt, muss er davon ausgehen, dass die Antwort Auswirkungen auf die finanziellen Dispositionen des Mandanten und die Kaufentscheidung haben kann. Die Berücksichtigung der Folgen der Antwort im Hinblick auf die Erwerbsaussicht gehört deshalb zum Umfang des Mandats.
2. Geht infolge einer falschen Kaufentscheidung aufgrund einer fehlerhaften Auskunft des Steuerberaters eine Förderungsmöglichkeit verloren, steht dieser Schaden in unmittelbarem Zusammenhang mit der vertraglichen Pflicht und fällt unter deren Schutzzweck.
3. Ein Mandant kann sich auf die Auskunft seines Steuerberaters auch dann verlassen, wenn er selbst die Möglichkeit hatte, auf steuerrechtliche Informationsquellen zurückzugreifen. Insbesondere besteht für den Mandanten nicht die Pflicht, eine von ihm abonnierte Informationsschrift unmittelbar nach dem Erhalt nachzusortieren, um stets auf dem neusten steuerrechtlichen Stand zu sein.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 3 O 50/01) |
Tenor
1. Der Termin vom 5.9.2006 wird aufgehoben.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 8.9.2006.
Gründe
I. Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung des LG beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.
Soweit es auf materielles Recht ankommt, ist das BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB.
Das LG hat den Klägern zu Recht einen Anspruch auf Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe aus positiver Forderungsverletzung i.V.m. §§ 675, 611 BGB zugesprochen.
1. Zur Pflichtverletzung
Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem mit den Klägern bestehenden Vertrag verletzt, indem sie auf die konkrete Frage, ob bei Geltung des InvZulG 1999 neben der Investitionszulage auch die degressive Abschreibung gem. § 7 Abs. 5 EStG geltend gemacht werden könne, eine falsche Antwort gegeben hat.
Die Aufgaben eines Steuerberaters ergeben sich aus dem Inhalt und dem Umfang des ihm erteilten Mandats; in den hierdurch gezogenen Grenzen hat er den Auftraggeber umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Fragen Auskunft zu geben (BGH, Urt. v. 23.10.2003 - IX 249/02, NJW 2004, S. 444). Im Rahmen seines Auftrags hat er seinen Mandanten möglichst vor Schäden zu schützen. Hierzu hat er den relativ sichersten Weg zu dem angestrebten Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg notwendigen Schritte vorzuschlagen. Die mandatsbezogenen erheblichen Gesetzes- und Rechtskenntnisse muss der Steuerberater besitzen oder sich ungesäumt verschaffen. Hierzu gehört auch, dass er in diesem Rahmen neue oder geänderte Rechtsnormen ermittelt (BGH, Urt. v. 23.3.2006 - IX ZR 140/03, BGHRep. 2006, S. 942, 943 (= WM 2006, S. 1304-1306); BGH, Urt. v. 15.7.2004 - IX ZR 472/00, NJW 2004, S. 3487; Senat, Urt. v. 20.11.2001 - 23 U 20/01, GI 2002, S. 114f; Senat, Urt. v. 20.1.2004 - 23 U 28/03, GI 2005, S. 92 f.). Selbst wenn in der Tages- oder Fachpresse über Vorschläge zur Änderung des Steuerrechts berichtet wird, die im Fall ihrer Verwirklichung von dem Mandanten des Beraters erstrebte Ziele unter Umständen vereiteln oder beeinträchtigen, kann der Steuerberater gehalten sein, sich aus allgemein zugänglichen Quellen über den näheren Inhalt und den Verfahrensstand solcher Überlegungen zu unterrichten, um danach prüfen zu können, ob es geboten ist, dem Mandanten Maßnahmen zur Abwehr drohender Nachteile anzuraten (BGH, Urt. v. 15.7.2004 - IX ZR 472/00, NJW 2004, S. 3487).
Im vorliegenden Fall gehörte es zum Mandat der Beklagten, den Text des Investitionszulagengesetzes 1999 zu beschaffen und eine Antwort auf die Frage zu geben, ob beim Kauf einer Eigentumswohnung die degressive Abschreibung gem. § 7 Abs. 5 EStG neben der Investitionszulage geltend gemacht werden konnte. Der Beklagten war auch bewusst, dass die Kläger den Erwerb einer bestimmten Eigentumswohnung planten. Selbst wenn ihr die näheren Umstände des Kaufes nicht bekannt waren, musste sie daher davon ausgehen, dass ihre Antwort Auswirkungen auf die finanziellen Dispositionen der Kläger und somit auch auf die Entscheidung, ob und ggf. wann der Erwerb stattfinden sollte, haben konnte. Die Berücksichtigung der Folgen der Antwort auf die ihr konkret gestellte Frage im Hinblick auf den geplanten Erwerb der Wohnung gehörte damit zum Umfang des Mandats.
Soweit die Beklagte bestreitet gewusst zu haben, dass bei den Klägern eine konkrete Erwerbsabsicht vorlag und behauptet, die Klägerin habe ihr lediglich eine abstrakte Frage gestellt, ist ihr Vortrag widersprüchlich und unsubstantiiert. Dass ihr die konkreten Zusammenhänge bekannt waren, ergibt sich bereits aus ihrer Gebührenrechnung vom...