Leitsatz (amtlich)
1.
Ist gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert EURO festgesetzt worden und hat der Einzelrichter des Rechtsbeschwerdesenats die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen, so entscheidet er allein über die Begründetheit.
2.
Ist es geboten zu klären, ob ein Verfahrenshindernis vorliegt, so steht der Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht entgegen, dass dieses Hindernis allenfalls vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils eingetreten ist.
3.
Zum Zeitpunkt des Erlasses eines auf elektronischem Weg unter Einsatz eines Datenverarbeitungsgeräts erstellten Bußgeldbescheids.
Verfahrensgang
AG Viersen (Aktenzeichen 10. 08. 2001) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe
I.
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht Viersen gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 200, -. DM wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften verhängt.
Dagegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und deren Zulassung beantragt. Er ist der Auffassung, die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit sei bereits vor Erlass des amtsgerichtlichen Urteils verjährt gewesen.
II.
Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen überschritt der Betroffene am 17. Juli 2000 die durch Zeichen 274 angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 36 km/h. Die Sachbearbeiterin des Kreises V. hatte am 11. Oktober 2000 die ihr vorliegenden Angaben an ihrem Arbeitsplatz mittels ihres Computers abschließend verarbeitet, gespeichert und anschließend zur elektronischen Übermittlung an das Kommunale Rechenzentrum in M. freigegeben. Dort war der Bußgeldbescheid in der darauffolgenden Nacht mit dem Datum des 11. Oktober 2002 zum Ausdruck gelangt. Die Sachbearbeiterin hatte am 17. Oktober 2000 den Ausdruck einer formalen Sichtkontrolle unterzogen, mit ihrer Paraphe versehen und daraufhin in den Postgang gegeben.
Das Amtsgericht ist von einer wirksamen Unterbrechung der Verjährungsfrist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG ausgegangen, da der Bußgeldbescheid am 11. /12. Oktober 2000 erlassen worden sei.
Der Betroffene ist der Auffassung, dass der Bußgeldbescheid nicht datenverarbeitungsmäßig erstellt worden sei, vielmehr von einem Erlass des Bußgeldbescheides erst am 17. Oktober 2000 auszugehen sei.
III.
1.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
a)
Gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 2 OWiG entscheidet der Bußgeldsenat im Verfahren über die Zulassung der Rechtsbeschwerde in der Besetzung mit einem Richter. Dies gilt uneingeschränkt für die Entscheidung, ob die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1, 2 OWiG zuzulassen ist oder nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 27. 7. 2002 = VRS 101, 215, 216 mwN; OLG Köln VRS 96, 451, 452; NStZ-RR 1998, 345; KK-Steindorf, 2. Aufl. , § 80 a OWiG Rdnr. 5). Der Einzelrichter ist aber auch für die Entscheidung über die Begründetheit einer nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zugelassenen Rechtsbeschwerde zuständig. Auf den bestehenden Meinungsstreit (vgl. dazu KK-Steindorf, 2. Aufl. , § 80 a OWiG Rdnr. 6 mwN) kommt es vorliegend nicht an, denn der Gesetzgeber hat lediglich in den Fällen des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG die Entscheidung des vollen Senats iSd § 80 a Abs. 1 OWiG für geboten betrachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 27. 7. 2001 = VRS 101, 215, 217). Im Fall der Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG hat der Einzelrichter über die Begründetheit der Rechtsbeschwerde allein zu befinden.
Ausgehend von der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Senatsbesetzung im Zusammenhang mit einem Fahrverbot (vgl. BGHSt 44, 145 ff) kann es angesichts der Regelungskonstruktion in § 80 a Abs. 2 Nrn. 1 und 2, Abs. 3 OWiG keinem Zweifel unterliegen, dass in allen anderen Fällen der Einzelrichter zu entscheiden hat (so auch OLG Hamm NZV 2002, 381; OLG Köln NStZ-RR 1998, 345, 346).
b)
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts dient dazu, bei der Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausbildung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen und zu festigen. Mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde soll das Rechtsbeschwerdegericht Gelegenheit erhalten, seine Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtunggebenden Weise zum Ausdruck zu bringen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die in Rede stehende Rechtsfrage entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist (vgl. OLG Hamm NJW 1995, 2937 mwN). Davon ist vorliegend auszugehen.
Der Zulassung der Rechtsbeschwerde steht im vorliegenden Fall die Regelung des § 80 Abs. 5 OWiG nicht entgegen. Zwar sind Verfahrenshindernisse im Zulassungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich, wenn sie vor Erlass des Urteils bereits vorgelegen haben und der Rechtsfehler des Urteils gerade darin liegt, dass sie nicht beachtet worden sind. Indessen ist das Rechtsbeschwerdegericht nic...