Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an auf Antrag zu erteilende und auf Verlangen zu beglaubigenden Ausfertigungen und Abschriften eines Erbscheins.
Normenkette
AV d. JM vom 11. Juli 2007 i.d.F. vom 27. Juli 2020 -1411 -I.2 "Vollziehung von Schriftstücken und elektronischen Dokumenten"; BeurkG §§ 42, 47; FamFG § 13 Abs. 3 Sätze 1-2, §§ 15, 352e Abs. 1 S. 3; ZPO § 169 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Mülheim a.d. Ruhr (Aktenzeichen 4 VI 782/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Wert: 5.000 EUR
Gründe
I. Die Beteiligten sind die Kinder der Erblasserin und nach dem gemeinschaftlichen Erbschein vom 21. Aug. 2020 deren Erben zu je 1/2.
Das Nachlassgericht hat der Beteiligten zu 1 eine Ausfertigung des Erbscheins (GA 111) übersandt. Der Nachlass hat einen Wert von 1.225.184,02 EUR.
Die Beteiligte zu 1 erbat am 8. Sept. 2020 telefonisch zwei beglaubigte Abschriften des Erbscheins, die ihr sogleich übersandt wurden.
Am 13. Sept. 2020 teilte sie in einer ersten eMail mit, "die Kopie des Erbscheins, die Sie mir zugesandt haben ist voellig wertlos, da Sie nicht beglaubigt ist. ... Ich habe den Eindruck, dass Sie durch staendiges nachkriechen lassen meinen Suicid verursachen wollen." Wenige Stunden später formulierte sie in einer weiteren eMail, "ich habe mich drei Monate lang um den gueltigen Erbschein bemüht. Sie haben mir eine voellig wertlose Kopie gegeben und vorgelogen, dass sei das Original, um mich zu schikanieren und laecherlich zu machen. Die beglaubigten Kopien sind nicht angekommen." Wenige Minuten später forderte sie "endlich die beglaubigten Erbscheine! Sie zerstören mein Leben."
Am 16. Sept. 2020 erbat die Beteiligte zu 1 insgesamt 5 weitere beglaubigte Erbscheinsabschriften und fügte als Beispiel die Kopie des Erbscheins vom 26. Mai 1998 nach ihrem Vater bei.
Am 24. Sept. 2020 teilte das Nachlassgericht - Rechtspflegerin - der Beteiligten zu 1 telefonisch und sodann schriftlich mit, dass die Beglaubigungen formgerecht seien; es handele sich um elektronisch erzeugte Beglaubigungen, bei der die Wiedergabe der Namens- und Amtsbezeichnung der beglaubigenden Person verzichtbar sei. Für weitere Beglaubigungen des Erbscheins möge sie sich an einen Notar wenden.
Mit Schreiben vom 24. Sept. 2020 beschwerte sich die Beteiligte zu 1; der Erbschein werde so nicht anerkannt. Sie benötige endlich korrekte Unterlagen und zwar 8 beglaubigte Kopien mit Unterschrift. Auf den ihr vorliegenden Unterlagen fehle die Unterschrift (gemeint ist die des Richters).
Mit Beschluss vom 29. Sept. 2020 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Ausführungen der Rechtspflegerin seien zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts über den Antrag der Beteiligten zu 1 auf Erteilung von beglaubigten Abschriften des Erbscheins vom 21. Aug. 2020. Rechtsgrundlage hierfür ist § 13 Abs. 3 Satz 2 FamFG. Danach können sich die zur Akteneinsicht Berechtigten auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 FamFG) und sind Abschriften auf Verlangen zu beglaubigen sind (was dann in entsprechender Anwendung von §§ 39, 42 BeurkG geschieht, Sternal, in: Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 13, Rdnr. 62).
Bei einer Entscheidung über die Ablehnung oder Gewährung von Akteneinsicht an einen Beteiligten nach Abschluss des Verfahrens - wie hier - ergeht über den Antrag eine Endentscheidung, die einer Anfechtung im Wege der Beschwerde nach §§ 58 ff FamFG unterliegt (Keidel/Sternal, a.a.O., Rdnr. 72 m.N.; vgl. Senat, BeckRS 2014, 940, Beschluss vom 17. Dez. 2013, I-3 Va 7/13 für nicht am Verfahren Beteiligte).
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Wenn das Nachlassgericht alle Verfahrensvoraussetzungen für gegeben erachtet, der Erbscheinsantrag der Erbrechtslage entspricht und kein Beteiligter dem beantragten Erbschein widersprochen hat, ergeht ein Feststellungsbeschluss, dass die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden. Ein solcher Feststellungsbeschluss wird grundsätzlich bereits mit Erlass wirksam, § 352 e Abs. 1 Satz 3 FamFG. Er stellt allerdings noch nicht die Erteilung des Erbscheins selbst dar. Die Erteilung des Erbscheins folgt als faktischer Vollzug dem Feststellungsbeschluss nach, in dem der Erbschein ausgefertigt und eine Ausfertigung dem Antragsteller übermittelt wird. (zu allem Schwarz, in: Schulze/Grziwotz/Lauda, BGB, Kommentiertes Vertrags- und Prozessformularbuch, 4. Aufl., Anhang zu §§ 2353-2370 BGB, Rdnr. 77).
Dabei richtet sich nach dem Antrag des Antragstellers, wie viele Exemplare der Ausfertigungen er zu erhalten hat (vgl. dazu Zimmermann, in: Keidel, FamFG, 20. Aufl, § 357, Rdnr. 40). Wegen der mit allzu vielen Urschriften oder Ausfertigungen verbundenen Gefahren sollte man ...