Leitsatz (amtlich)
Nicht verkündete Verweisungsbeschlüsse i.S.v. § 281 Abs. 1 ZPO sind den Parteien gem. § 329 Abs. 2 S. 1 ZPO formlos mitzuteilen.
Solange ein Verweisungsbeschluss nur einer Partei mitgeteilt worden ist, liegt noch keine rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor. Eine gleichwohl erfolge "Verweisung" an ein anderes Gericht stellt eine bloße Abgabe dar und bindet dieses nicht.
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Aktenzeichen 29 C 8907/14) |
AG Mülheim a.d. Ruhr (Aktenzeichen 13 C 1904/14) |
Tenor
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Vermittlungs- und Beratungsentgelt für Lebensberatung im esoterischen und astrologischen Bereich.
Auf Antrag der Klägerin hat das AG Coburg am 8.11.2013 einen Mahnbescheid gegen die Beklagte erlassen, der dieser am 13.11.2013 unter deren ehemaliger Adresse in D ... zugestellt worden ist. Die Beklagte hat gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt, der am 27.11.2013 bei dem Mahngericht eingegangen ist. Die Abgabe an das im Mahnbescheidsantrag als Prozessgericht angegebene AG Düsseldorf erfolgte am 4.7.2014, wo die Akte am 11.7.2014 eingegangen ist.
Nach Eingang der Anspruchsbegründung hat das AG Düsseldorf mit Verfügung vom 17.7.2014 Termin bestimmt. Die Ladung der Beklagten unter der Anschrift des Mahnverfahrens kam an das AG Düsseldorf mit dem Vermerk "Adressat unter der angegeben Anschrift nicht zu ermitteln" zurück. Nach einer Meldeanfrage des AG Düsseldorf wurde die Ladung der Beklagten unter ihrer jetzigen Anschrift in M ... am 26.7.2014 zugestellt. Das AG Düsseldorf hat mit Schreiben vom 10.9.2014 die Parteien darauf hingewiesen, dass es unzuständig sei, da der Wohnort der Beklagten im Bezirk des AG Mülheim gelegen sei. Alternativ komme eine Zuständigkeit des AG St. Goar gem. § 29 ZPO in Betracht. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 15.9.2014 Verweisung an das AG Mülheim beantragt.
Nach Anhörung der Beklagten hat das AG Düsseldorf sich mit Beschluss vom 30.9.2014 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Mülheim an der Ruhr verwiesen. Eine Zustellung des Verweisungsbeschlusses an die Beklagte konnte nicht erfolgen, da die Beklagte nicht mehr unter der Anschrift in Mülheim ermittelt werden konnte.
Mit Verfügung vom 10.11.2014 hat das AG Mülheim den Parteien mitgeteilt, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit an das AG Düsseldorf zurückzuverweisen, da der Verweisungsbeschluss des AG vom 30.9.2014 der Beklagen bislang nicht zugestellt worden sei. Er stelle daher noch keine rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung dar. Mit Beschluss vom 3.12.2014 hat sich das AG Mülheim mit derselben Begründung zwar ausdrücklich nicht für unzuständig erklärt, den Rechtsstreit aber dennoch gem. § 281 ZPO an das AG Düsseldorf zurückverwiesen. Zudem bestünden Zweifel an der wirksamen Zustellung der Klageschrift in Mülheim.
Das AG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 18.12.2014 die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt. Wegen der Begründung wird auf den genannten Beschluss (Bl. 117 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.1. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug zunächst höher Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Das AG Düsseldorf hat sich nicht rechtskräftig für unzuständig erklärt.
2. Der Verweisungsbeschluss des AG Düsseldorf vom 30.9.2014 stellt keine rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung dar, weil er nur der Klägerin, nicht aber der Beklagten mitgeteilt worden ist. Nicht verkündete Verweisungsbeschlüsse nach § 281 ZPO sind den Parteien gem. § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO formlos mitzuteilen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.2.1995 - XII ARZ 2/95, NJW-RR 1995, 641; OLG Schleswig, Beschl. v. 11.2.2010 - 2 W 11/10, NZI 2010, 260; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rz. 13). Ist der Verweisungsbeschluss nur einer Partei mitgeteilt worden, stellt er noch keine "rechtskräftige" Unzuständigkeitserklärung i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dar. Er ist in einem solchen Fall zwar kein akteninterner Vorgang mehr, sondern verlautbart und existent; wirksam wird er jedoch erst mit der letzten Mitteilung an die Verfahrensbeteiligten (BGH, a.a.O.; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 329 Rz. 22). Vor diesem Zeitpunkt liegt eine "rechtskräftige" Erklärung der Unzuständigkeit nicht vor.
Ausweislich der Verfügung das AG Düsseldorf vom 30.9.2014 sollte der Beklagten des Verweisungsbeschluss vom 30.9.2014 sogar zugestellt werden. Die Zustellung konnte jedoch nicht bewirkt werden, da die Anschrift der Beklagten erneut nicht ermittelt werden konnte. Damit steht fest, dass der Beklagten der Beschluss nicht bekanntgegeben worden ist.
Mangels rechtskräftiger Unzuständigkeitserklärung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO stellt die "Verweisung" des AG Düsseldorf eine bloße Ab...