Leitsatz (amtlich)
1. Zur Umdeutung einer als wechselbezüglich gewollten Verfügung eines Ehegatten (der Ehefrau) im Falle der Unwirksamkeit der korrespektiven Verfügung des anderen (hier: wegen - unterstellter - Testierunfähigkeit des vorverstorbenen Ehemannes) in einem nach §§ 2265, 2267 Satz 1 BGB errichteten gemeinschaftlichen Ehegattentestament (Einsetzung zweier gemeinsamer Kinder zu gleichen Teilen als Miterben nach dem Tode des Letztversterbenden unter konkludenter Enterbung des weiteren Kindes) in eine einzeltestamentarische Verfügung der Ehefrau.
2. Zur Frage der Testierunfähigkeit (hier verneint für einen Zustand beginnender Demenz leichten Grades - Alzheimersche Erkrankung bzw. Multiinfarktdemenz unklarer Genese - bei der zur Zeit der Testamentserrichtung 95-jähigen Erblasserin).
Normenkette
BGB §§ 140, 2229 Abs. 4, § 2247 Abs. 1-2, 3 S. 1, §§ 2265, 2267 S. 1, § 2270 Abs. 1, § 2271 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Ratingen (Beschluss vom 03.01.2014; Aktenzeichen 14 VI 200/14) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.
Geschäftswert: bis 40.000 EUR.
Gründe
I. Die Erblasserin war 1912 geboren, ihr im Jahre 2009 vorverstorbener Ehemann 1909. Bei den Beteiligten zu 1. bis 3. handelt es sich um die gemeinsamen Kinder der Eheleute.
Unter dem 13.4.1998 verfassten die Eheleute jeweils ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament. In diesen Testamenten setzten die Erblasserin ihren Ehemann und dieser die Erblasserin als Alleinerben ein; darüber hinaus enthielten die Verfügungen jeweils die Aufhebung aller bisherigen Verfügungen von Todes wegen, Anordnungen zur Bestattung und eine Grabpflegeauflage. Im Testament des Ehemannes hieß es überdies, der Beteiligte zu 2. und die Beteiligte zu 3. erhielten als Vermächtnis jeweils 35.000 DM, sofern die Summe nach dem Tode seiner Ehefrau auf Bankkonten zur Verfügung stehe. Mit Datum vom 25.3.2001 verfassten die Eheleute ein vom Ehemann geschriebenes und unterschriebenes sowie von der Erblasserin mitunterschriebenes "Ergänzungstestament"; in diesem hieß es:
"In Ergänzung unserer Testamente vom 13.4.1998 bestimmen wir, dass unsere Tochter S. S. nach unserem Tode Testamentsvollstreckerin wird. Sie hat die Aufgabe das noch vorhandene Vermögen zwischen den drei Geschwistern aufzuteilen. Bisher an unsere Kinder zu Lebzeiten erfolgte Leistungen werden nicht gegeneinander ausgeglichen."
Ferner hinterließen die Eheleute ein von der Erblasserin in deutscher Schreibschrift geschriebenes und unterschriebenes, von ihrem Ehemann mitunterschriebenes Schriftstück mit dem Inhalt:
"Testament
Wir, Dr. F. und M. S. setzen uns hiermit gegenseitig als Alleinerben ein, unsere Kinder M., R. und S. haben bereits den Pflichtteil bekommen, S. zusätzlich die Krayer Mühle. Deshalb sollen nach dem Tod des zuletzt Verstorbenen unsere Kinder M. und R. zu gleichen Teilen Erben sein.
Diese Verfügungen gelten wechselbezüglich.
Ratingen, den 6.12.2007"
Am 15.4.2010 hat der Beteiligte zu 2., gestützt auf die Verfügung von Todes wegen aus dem Jahre 2007, zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der ihn und die Beteiligte zu 3. als Miterben nach der Erblasserin zu je 1/2-Anteil ausweist. Dem ist die Beteiligte zu 1. mit der Begründung, zur Zeit der Errichtung des Testaments im Dezember 2007 seien sowohl die Erblasserin als auch ihr Ehemann testierunfähig gewesen, entgegengetreten.
Nach Durchführung von Ermittlungen hat das Nachlassgericht durch die angefochtene Entscheidung - unter Aussetzung der sofortigen Wirksamkeit des Beschlusses und Zurückstellung der Erteilung des Erbscheins bis zu dessen Rechtskraft - die zur Begründung des Erbscheinsantrages des Beteiligten zu 2. erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Gegen diesen ihr am 9.1.2014 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2. mit ihrem am 15.1.2014 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, dem die Beteiligten zu 2. und 3. entgegentreten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Testamentsakte (zuletzt:) 14 IV 226/14 AG Ratingen Bezug genommen.
II. Auf den vorliegenden Fall findet das bis zum 17.8.2015 geltende Recht Anwendung, da der Erbfall im Jahre 2010 eingetreten ist.
Das gemäß §§ 58 Abs. 1 i.V.m. 352 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG a.F. als befristete Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 1. ist nach der vom Nachlassgericht erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG a.F. Ein Ablehnungsantrag der Beteiligten zu 1. gegen den vom Nachlassgericht bestellten Sachverständigen Dr. G. steht einer Sachentscheidung des Senats schon deshalb nicht entgegen, weil die Beteiligte zu 1. diesen mit Schriftsatz vom 30.7.2015 zurückgenommen hat.
In der Sache erweist sich die Beschwerde als nicht begründet. Zu Recht will das Nachlassgericht dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2. stattgeben. Der Er...