Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinfachtes Unterhaltsfestsetzungsverfahren; Einwand der Leistungsunfähigkeit im Beschwerdeverfahren; Beweiskraft der Zustellungsurkunde gemäß § 418 Abs. 2 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen einer Beschwerde gegen einen Festsetzungsbeschluss ist die erstmalige Einwendung der Leistungsunfähigkeit nach § 252 Abs. 4 FamFG unzulässig, sofern der Unterhaltsschuldner vor Erlass des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses bereits objektiv Gelegenheit dazu hatte, diesen Einwand vorzubringen.
2. Dem Zustellungsempfänger bleibt gemäß § 418 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis gegenüber dem durch die Zustellungsurkunde erbrachten Beweis offen, dass ihm das zuzustellende Schreiben durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt worden ist. Erforderlich ist insoweit die substantiierte Darlegung und der Nachweis des Gegenteils des Inhalts der Urkunde. Der schlichte Hinweis darauf, dass der Zustellungsempfänger in einer Wohngemeinschaft wohne und gelegentlich in dem zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingeworfene Schriftstücke abhandengekommen seien, reicht zur Entkräftung der Beweiskraft der zuständige Grunde nicht aus.
Normenkette
FamGH § 252 Abs. 4, § 256; ZPO § 418 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Kleve (Aktenzeichen 19 FH 8/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Kleve vom 03.01.2020 (19 FH 8/19) wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Der Verfahrenswert beträgt: 13.804,- EUR.
Gründe
Nach § 256 S. 1 FamFG können mit der Beschwerde gegen einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nur Einwendungen gegen die Zulässigkeit oder die Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens, die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 252 Abs. 2-4 FamFG sowie die Unrichtigkeit der Kostenentscheidung oder Kostenfestsetzung, sofern sie nach allgemeinen Grundsätzen anfechtbar sind, geltend gemacht werden. Der Antragsgegner hat unter Verwendung des amtlichen Formulars und unter Vorlage weiterer Unterlagen (vorläufige Einnahmen-Überschussrechnung 2019) zur Begründung seiner Beschwerde gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss letztlich darauf abgestellt, dass er wirtschaftlich nicht in der Lage sei, die festgesetzten Unterhaltsleistungen zu erbringen; damit hat er seine Leistungsunfähigkeit behauptet, also eine Einwendung nach § 252 Abs. 4 FamFG erhoben. Indessen sind derartige Einwendungen zur Begründung einer Beschwerde unzulässig, soweit diese nicht erhoben waren, bevor der Festsetzungsbeschluss erlassen war (vgl. Weber in BeckOK, FamFG, 33. Edition 01.01.2020 Rz. 12a zu § 256). Das bedeutet, dass eine erstmalige Berufung auf Leistungsunfähigkeit im Beschwerdeverfahren unzulässig ist und dies zur Folge hat, dass die Beschwerde nach § 256 S. 2 FamFG unzulässig ist.
Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, aus welchem Grund der Antragsgegner diese Einwendung der fehlenden Leistungsfähigkeit erstinstanzlich, also vor Erlass des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses vom 3.1.2020 nicht vorgetragen haben, da davon ausgegangen werden muss, dass er objektiv dazu Gelegenheit hatte (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Beschluss vom 2.8.2017 - 5 UF 180/17 - BeckRS 2017, 120560 Rz. 6).
Mit gerichtlichem Schreiben vom 30.10.2019 ist der Antragsgegner u.a. aufgefordert worden, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen und Belege über seine Einkünfte vorzulegen, falls er sich auf den Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit berufen wolle. Hierauf hat er nicht reagiert. Ausweislich der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde ist dem Antragsgegner dieses Schreiben am 6.11.2019 durch Einlegung in den Briefkasten, der zu seiner Wohnung gehört, zugestellt worden.
Diese Zustellungsurkunde erbringt Beweis darüber, dass dem Antragsgegner das besagte Schreiben durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt worden ist. Soweit der Antragsgegner bei der Einlegung der Beschwerde am 22.1.2020 angegeben hat, das Schreiben vom 30.10.2019 nicht erhalten zu haben, und hierbei darauf verweist, in einer WG zu wohnen, so dass es möglich sei, dass dieses Schreiben verloren gegangen sei, steht dies der Beweiskraft der Zustellungsurkunde über die Zustellung des gerichtlichen Schreibens vom 30.10.2019 nicht entgegen. Grundsätzlich ist zwar der Gegenbeweis, also der Beweis, dass die Zustellungsurkunde unrichtig ist, gemäß § 418 Abs. 2 ZPO möglich. Dies erfordert jedoch den vollen Beweis und damit eine substantiierte Darlegung und den Nachweis des Gegenteils. Eine nur pauschale Behauptung, keine Kenntnis von dem zugestellten Schriftstück erlangt zu haben, entkräftet die Richtigkeit der Zustellungsurkunde nicht. Der schlichte Hinweis auf den Umstand, dass der Antragsteller in einer Wohngemeinschaft wohne und gelegentlich in dem zu der Wohnung gehörenden Briefkasten eingeworfene Schriftstücke abhandengekommen seien, reicht zur Entkräftung der Beweiskraft der Zustellungsurkunde nicht aus.
Der Antragsgegner ist durch Senatsschreiben auf die obig...