Leitsatz (amtlich)
§ 146 StPO verbietet es nicht, dass sich die Verteidiger mehrerer derselben Tat Beschuldigter untereinander besprechen und ihr Vorgehen miteinander abstimmen. Zur Entwicklung einer solchen - in den Grenzen der §§ 258 und 356 StGB zulässigen - gemeinsamen Verteidigungsstrategie kann der eine Verteidiger auch an Gesprächen teilnehmen, die der andere Verteidiger mit seinem Mandanten führt. Eine derartige Zusammenarbeit allein vermag die konkrete Vermutung für eine Tätigkeit zugunsten des weiteren Beschuldigten, die den Interessen des eigenen Mandanten zuwider läuft, nicht zu begründen.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen II-88/00 - 19. 06. 2002) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Gründe
I.
Der Angeklagte zu 1) ist am 4. Mai 2000 durch das Amtsgericht Ratingen wegen versuchter, der Angeklagte zu 2) wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung verurteilt worden. Beide haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung hat der Verteidiger des Angeklagten zu 1) vorgetragen, sein Mandant habe nach dem Urteil in erster Instanz auf dem Gerichtsflur mit dem Verteidiger des Angeklagten zu 2) Kontakt aufgenommen. Daraufhin sei es zu einem Besuch in dessen Kanzlei gekommen. Hier habe ein Gespräch mit dem Verteidiger des Angeklagten zu 2) und dessen Sozius stattgefunden, in dem die ganze Angelegenheit und die Verteidigungsstrategie erörtert worden seien. Der Verteidiger des Angeklagten zu 2) hat dazu erklärt, er habe dem Angeklagten zu 1) bereits auf dem Flur gesagt, dass er ihn nicht vertreten werde und dass er sich insoweit an seinen Sozius wenden möge. Das Gespräch in der Kanzlei hat er nicht in Abrede gestellt, aber ausgeführt, dass sein Sozius Wortführer gewesen sei. Das Landgericht hat den Beschwerdeführer als Verteidiger des Angeklagten daraufhin mit Beschluss vom 19. Juni 2002 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 26. Juni 2002, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat.
II.
Das gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte Rechtsmittel ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht Rechtsanwalt B. . . als Verteidiger des Angeklagten zu 2) unter Hinweis auf §§ 146a, 146 StPO zurückgewiesen. Ein Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung liegt hier nicht vor.
1.
Gemäß § 146a Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Wahlverteidiger als Verteidiger zurückzuweisen, sobald erkennbar wird, dass er gleichzeitig mehrere derselben Tat Beschuldigte verteidigt (§ 146 Satz 1 StPO). Eine Mehrfachverteidigung setzt damit voraus, dass der Verteidiger von mehreren Beschuldigten beauftragt ist oder jedenfalls für sie tätig wird.
2.
Beides kann hier nicht festgestellt werden.
a)
Ausweislich der zu den Akten gereichten Vollmacht ist Rechtsanwalt B. . . allein von dem Angeklagten zu 2) beauftragt worden. Der Angeklagte zu 1) hat mit Vollmacht vom 4. Mai 2000 ausschließlich seinen Sozius, Rechtsanwalt H. . . , zur Vertretung seiner Interessen bestimmt. § 146 StPO steht aber einer Verteidigung durch verschiedene, gesondert mandatierte Rechtsanwälte aus einer Anwaltssozietät nicht entgegen (BVerfGE 43, 79, 90 ff. ; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. 2001, § 146 Rdn. 8 m. w. N. ).
b)
§ 146 StPO will der Gefahr eines Interessenkonflikts vorbeugen (LR-Lüderssen, StPO, 25. Aufl. 2002, § 146 Rdn. 11 m. w. N. ). Der Zweck der Bestimmung verbietet es nicht, dass sich die Verteidiger mehrerer derselben Tat Beschuldigter untereinander besprechen und ihr Vorgehen miteinander abstimmen. Zur Entwicklung einer solchen - in den Grenzen der §§ 258 und 356 StGB zulässigen - gemeinsamen Verteidigungsstrategie kann der eine Verteidiger auch an Gesprächen teilnehmen, die der andere Verteidiger mit seinem Mandanten führt. Eine derartige Zusammenarbeit allein vermag die konkrete Vermutung für eine Tätigkeit zugunsten des weiteren Beschuldigten, die den Interessen des eigenen Mandanten zuwider läuft, nicht zu begründen. Denn die Kenntnis von der Einlassung des Mitbeschuldigten und die Vereinbarung einer gemeinsamen Verteidigungslinie können gerade der sachgerechten Wahrung der Verteidigungsinteressen des eigenen Mandanten dienen (vgl. Richter, NJW 1993, 2152 ff. ). Die Tatsache allein, dass Rechtsanwalt B. . . an einem solchen Gespräch teilgenommen hat, rechtfertigt daher nicht die Annahme, er habe die Verteidigung des Angeklagten zu 1) übernommen und damit gegen die Interessen seines eigenen Mandanten verstoßen.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 2572241 |
NJW 2002, 3267 |
JR 2003, 346 |
VRS 2002, 380 |
StV 2002, 533 |
KammerForum 2003, 66 |
www.judicialis.de 2002 |