Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob ein deutsches Gericht die ausländische Anhängigkeit einer denselben Verfahrensgegenstand betreffenden FG-Familiensache zu beachten hat, beurteilt sich nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO analog.

 

Normenkette

ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Düsseldorf (Aktenzeichen 257 F 147/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Düsseldorf vom 6. Dezember 2018 dahingehend abgeändert, dass der Antrag der Kindesmutter, ihr für die beiden Kinder M. und D. das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, als unzulässig verworfen wird.

Die Kosten erster Instanz und des Beschwerdeverfahrens werden der Kindesmutter auferlegt.

Beschwerdewert: 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Kindeseltern sind israelische Staatsangehörige, die Kindesmutter besitzt ferner die tschechische Staatsangehörigkeit. Im Jahr 2010 sind die Kindeseltern in Israel die Ehe nach jüdischem Ritus eingegangen, 2011 haben sie in Tschechien standesamtlich geheiratet. Die beiden gemeinsamen Kinder der Beteiligten M. und D. sind in D. geboren, wo die Kindeseltern seit 2009 lebten. Kurz vor der Geburt von D. trennten sich die Eltern, indem der Kindesvater aus der ehelichen Wohnung auszog, in der die Kindesmutter jetzt mit den beiden Kindern allein lebt. Seit Dezember 2018 wohnt der Kindesvater dauerhaft in Israel.

Mit einer am 10. April 2018 beim Bezirksrabbinatsgericht Tel Aviv-Jaffa eingegangenen Klageschrift hat der Kindesvater das Scheidungsverfahren nebst Folgesachen, u.a. auch betreffend das Sorgerecht für die beiden Kinder, anhängig gemacht. Die Klageschrift des Kindesvaters ist der Kindesmutter am 5. Juli 2018 zugestellt worden (Seite 5 der Antragserwiderung), nach Darstellung der Kindesmutter ohne Übersetzung in die deutsche Sprache. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2018 hat sich das Rabbinatsgericht Tel Aviv-Jaffa - auch mit Blick auf das hier anhängige und zwischen Vater und Mutter streitige Sorgerecht für M. und D. - für sachlich zuständig erklärt.

Mit ihrem am 30. Mai 2018 beim Amtsgericht Düsseldorf eingegangenen Antrag vom 28. Mai 2018 begehrt die Kindesmutter die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die beiden Kinder. Die Antragsschrift wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters am 21. August 2018 zugestellt. Die Kindesmutter macht geltend, dass eine einvernehmliche Verständigung mit dem Kindesvater über den zukünftigen Aufenthaltsort der Kinder nicht möglich sei. Der Kindesvater wolle mit den beiden Kindern zukünftig in Israel leben, was sie ablehne.

Der Kindesvater ist dem Antrag der Kindesmutter entgegengetreten und hat insbesondere geltend gemacht, dass der Antrag im Hinblick auf das von ihm in Israel vor dem Rabbinatsgericht zuvor anhängig gemachte Verfahren schon unzulässig sei.

Das Amtsgericht ist dem Begehren der Kindesmutter gefolgt und hat dieser mit Beschluss vom 6. Dezember 2018 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder übertragen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass es aufgrund des gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Kinder in Deutschland zur Entscheidung international berufen sei. Die anderweitige Rechtshängigkeit vor dem Rabbinatsgericht in Israel stehe nicht entgegen, weil § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in Kindschaftssachen weder direkt noch analog anzuwenden sei. In der Sache selbst sei der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu übertragen, weil dies dem Kindeswohl am besten entspreche. Ausschlaggebend sei der unerträgliche und damit unzumutbare Kontinuitätsabbruch, der mit dem vom Kindesvater erstrebten Umzug der Kinder nach Israel und der damit einhergehenden Trennung der Kinder von der Kindesmutter und dem sozialen Umfeld in Deutschland verbunden wäre. Die Mutter sei auch nach den Feststellungen der Verfahrensbeiständin die Hauptbezugsperson für beide Kinder.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kindesvater sein erstinstanzliches Begehren auf Zurückweisung des Antrags der Kindesmutter weiter. Hierzu vertieft und ergänzt er sein erstinstanzliches Vorbringen wie die Kindesmutter das ihre, die an ihrem Antrag auf Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch den angerufenen Senat uneingeschränkt festhält.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde des Kindesvaters ist begründet.

Das von der Antragstellerin angerufene Amtsgericht Düsseldorf ist zwar international zuständig für die Entscheidung über den Sorgerechtsantrag, weil die beiden Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (Art. 8 Abs. 1 der VO [EG] Nr. 2201/2003 [Brüssel II a-VO]). Es besteht aber das Verfahrenshindernis der vorrangigen ausländischen Rechtshängigkeit, so dass der Antrag der Kindesmutter als unzulässig zu verwerfen ist.

1. Das Verfahrenshindernis anderweitiger Rechtshängigkeit unterliegt wie jede andere (negative) Prozessvoraussetzung der Amtsprüfung (BGH FamRZ 2008, 1...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?