Leitsatz (amtlich)
1. Die Beurteilung, ob die Ausländerbehörde ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, die Abschiebung so beschleunigt wie möglich und geboten zu vollziehen, um unnötige Haftzeiten im Anschluss an die anderweitige Haft (hier: aufgrund Ersatzfreiheitsstrafe) zu vermeiden, erfordert, dass der Haftrichter die Dauer der anderweitigen Haft in seine Prüfung nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG einbezieht.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate möglich erscheint, ist der Erlass der Haftanordnung, nicht der mutmaßliche Beginn des Vollzugs der Abschiebungshaft nach Ende der anderweitigen Haft.
Normenkette
AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 62 Sätze 3-5
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Beschluss vom 29.08.2007; Aktenzeichen 6 T 569/07) |
AG Wuppertal (Aktenzeichen 8 XIV 30/07-B) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I. Das AG hat mit Beschluss vom 1.8.2007 gegen den Betroffenen Sicherungshaft für die Dauer von höchstens drei Monaten angeordnet, beginnend mit dem Ende der Ersatzfreiheitsstrafe aus einem Urteil des AG Recklinghausen, durch das der Betroffene zu einer Geldstrafe von 900 EUR verurteilt worden ist.
Die vom Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG durch den angegriffenen Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner - ohne Begründung gebliebenen - sofortigen weiteren Beschwerde, der der Antragsteller entgegentritt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Das gem. § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, §§ 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FEVG, §§ 27 Abs. 1, 29 FGG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache in dem aus dem Beschlussausspruch ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts leidet an einem Rechtsfehler (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO), auf dem sie beruhen kann.
1. Das LG hat, teilweise unter Bezugnahme auf die Erwägungen des AG in dessen Beschluss vom 1.8.2007, ausgeführt:
Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Sein letzter Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung sei bereits 2003 bestandskräftig abgelehnt worden, verbunden mit einer Ausreisefrist von einem Monat, die ergebnislos verstrichen sei.
Es lägen die Haftgründe gem. § 62 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 5 AufenthG vor. Der Betroffene habe nach Ablauf der Ausreisefrist seinen Aufenthaltsort gewechselt, ohne der Ausländerbehörde seine Anschrift, unter der er erreichbar ist, anzugeben. Ferner bestehe der begründete Verdacht, dass er sich der Abschiebung entziehen wolle. Der Betroffene habe sich zumindest seit dem 5.4.2004 nicht mehr unter seiner letzten offiziellen Meldeanschrift aufgehalten und der Ausländerbehörde keine neue Erreichbarkeit mitgeteilt. Nach seinen eigenen Angaben habe er sich zwischen 2004 und dem 31.7.2007 illegal in Deutschland aufgehalten, ohne den Behörden seinen Aufenthaltsort mitzuteilen.
Die angeordnete Haftdauer sei auch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach den Erfahrungen der Kammer erforderlich, um die Abschiebung des Betroffenen vorzubereiten und durchzuführen.
Eine persönliche Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren sei nicht veranlasst gewesen, weil das AG ihn zeitnah persönlich angehört habe, er zudem anwaltlich vertreten und seine sofortige Beschwerde gleichwohl nicht begründet worden sei, so dass nicht zu erwarten stehe, dass eine erneute Anhörung zu weiteren, ihm günstigeren Erkenntnissen führen werde.
2. Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkte nicht stand.
Zwar hat das LG frei von Rechtsfehlern die Ausreisepflicht des Betroffenen, deren Vollziehbarkeit und das Vorliegen von Haftgründen bejaht und ebenso rechtsfehlerfrei von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen. Zu beanstanden ist indes seine Ausführung zur Verhältnismäßigkeit der angeordneten Haftdauer. Sie erschöpft sich in einer formelhaften Begründung und wird dem Umstand nicht gerecht, dass im gegebenen Fall nach der amtsgerichtlichen Anordnung die Abschiebungshaft erst mit dem Ende der vom Betroffenen zu verbüßenden Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Urteil des AG Recklinghausen in Sachen 28 Ls 174/03 beginnt.
Die Anordnung von Abschiebungshaft im Anschluss an eine zum Zeitpunkt der Entscheidung des Abschiebungshaftrichters bestehende anderweitige Haft ist grundsätzlich zulässig zulässig (BGHZ 129, 98 ff. sowie 383 ff.). Allerdings muss der Haftrichter in seine Beurteilung, ob die Abschiebungshaft erforderlich ist, die anderweitige Haft einbeziehen. Zum einen ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG vorliegen; hierbei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate möglich erscheint, der Erlass der Haftanordnung, nicht der mutmaßliche Begin...