Leitsatz (amtlich)

1. Zum Gegenstand der Fortsetzungsfestellung in Fällen, in denen der Haftvollzug nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens rechtswidrig wird.

2. Ausländerrechtliche Sicherungshaft dient allein der Sicherung der Abschiebung. Gibt die Ausländerbehörde nach Stornierung des geplanten Flugs und im Hinblick darauf, dass die Gültigkeitsdauer des beschafften Passersatzpapiers zeitnah ausläuft, ihre konkreten Abschiebungsbemühungen erkennbar auf, ist der Betroffene unverzüglich aus der Haft zu entlassen.

 

Normenkette

GG Art. 104 Abs. 1; AufenthG § 62 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hof (Beschluss vom 11.09.2007; Aktenzeichen 22 T 134/07)

AG Hof (Beschluss vom 05.09.2007; Aktenzeichen XIV 40/07)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass die durch Beschluss des AG Hof vom 5.9.2007 angeordnete Abschiebungshaft auf die Dauer von zwei Wochen mit Ablauf des 12.9.2007, 24 Uhr, rechtswidrig war.

II. Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Hof vom 11.9.2007 zurückgewiesen.

III. Die im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen Gerichtsgebühren werden um die Hälfte ermäßigt.

Der Freistaat Bayern hat die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten.

 

Gründe

I. Die Ausländerbehörde betrieb die Abschiebung des Betroffenen, der Staatsangehöriger von Aserbaidschan ist. Nach eigenen Angaben reiste der Betroffene auf dem Luftweg erstmals am 24.12.2005 ohne erforderlichen Reisepass oder ein Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag vom 6.2.2006 wurde am 25.7.2006 abgelehnt. Bestandskraft trat am 11.8.2006 ein. Seit 12.8.2006 ist der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig. In der Zeit vom 1.11. bis 6.12.2006 war der Betroffene unbekannten Aufenthalts. Mündlich und schriftlich hatte er erklärt, nicht freiwillig in sein Heimatland ausreisen zu wollen.

Gegen den Betroffenen lag ein Fahndungs- und Festnahmeersuchen der aserbaidschanischen Behörden wegen eines in Baku begangenen bewaffneten Raubüberfalls vor. Mit Schreiben vom 7.8.2007 teilte die Generalstaatsanwaltschaft der Ausländerbehörde mit, dass die zuständige Bewilligungsbehörde gem. § 60 Abs. 4 AufenthG die Zustimmung zu einer Abschiebung des Betroffenen nach Aserbaidschan erteilt habe.

Die Ausländerbehörde war bereits seit Ende 2006 bemüht, für den Betroffenen Heimreisepapiere zu beschaffen. Ihr lag schließlich ein am 22.8.2007 ausgestelltes Dokument des zuständigen Konsulats mit einer Gültigkeitsdauer bis 22.9.2007 vor. Die Luftabschiebung hatte sie daraufhin für den 13.9.2007 organisiert.

Der Betroffene wurde am 4.9.2007 anlässlich einer Vorsprache bei der Ausländerbehörde durch die Polizei festgenommen. Auf Antrag vom gleichen Tag hat das AG nach Anhörung des Betroffenen am 5.9.2007 mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft für die Dauer von zwei Wochen angeordnet. Die sofortige Beschwerde hat das LG am 11.9.2007 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 12.9.2007.

Aus dem unstreitigen Akteninhalt ergibt sich noch Folgendes:

Die für den 13.9.2007 gegen 15.00 Uhr über den Flughafen Frankfurt Rhein-Main geplante Abschiebung wurde auf Intervention des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12.9.2007 nicht vollzogen. Das Bundesamt hat auf Nachfrage durch den Senat mitgeteilt, dass der Betroffene am 11.9.2007 einen Asylfolgeantrag gestellt habe, über den noch nicht entschieden sei. Der Betroffene befand sich noch bis einschließlich 18.9.2007 aufgrund der Haftanordnung des AG vom 5.9.2007 in Abschiebungshaft. Seitdem war er aufgrund einer richterlichen Festhalteanordnung gem. § 22 Abs. 3 Satz 2 IRG inhaftiert.

Der Betroffene hat zuletzt beantragt, festzustellen, dass die Anordnung der Abschiebungshaft von vornherein rechtswidrig war, hilfsweise dass der weitere Vollzug der Abschiebungshaft nach Eingang der Mitteilung vom 12.9.2007 des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bei der Ausländerbehörde rechtswidrig war.

II. Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde ungeachtet der inzwischen durch Zeitablauf am 18.9.2007, 24.00 Uhr, eingetretenen Erledigung der auf der Grundlage der angegriffenen Beschlüsse vollzogenen Haft zulässig. Denn es besteht infolge der Inhaftnahme und des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ein fortwährendes Rechtsschutzinteresse (BVerfG - NJW 2002, 2456). Der Betroffene konnte seinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft sowohl von Anfang an als auch vom Zeitpunkt des Eingangs der Mitteilung des Bundesamts vom 12.9.2007 an umstellen. Zwar hat sich der Senat als Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich nicht damit zu befassen, ob nach der Entscheidung des LG vom 11.9.2007 noch Veränderungen eingetreten sind, die die Fortdauer der Haft rechtswidrig werden lassen. Anders ist dies aber, wenn der Verfahrensstoff - wie hier - offenkundig ...

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