Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen einer Nachlasspflegschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Erblasser eine Vielzahl letztwilliger Verfügungen hinterlassen, so ist aus gerichtlicher Sicht der Erbe unbekannt, solange noch nicht alle Verfügungen, deren etwaige Existenz dem Nachlassgericht bekannt ist, entweder (im Original) vorliegen oder in ihrer Existenz ausgeräumt sind.
2. Ein Fürsorgebedürfnis (Gefährdung des Bestandes des Nachlasses ohne Eingreifen des Nachlassgerichts) besteht u. A. dann, wenn zum Nachlass ein Wohnungseigentum gehört, für das zur Vermeidung von Rechtsnachteilen regelmäßige Leistungen zu erbringen sind und/oder zu besorgen ist, dass der Nachlass - die Erbenstellung des Erbprätendenten hinweggedacht - mit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in größerem Ausmaß belastet wird.
3. Soweit es an einem Sicherungsanlass fehlt, wenn die erforderliche Sicherung des Nachlasses auf einfachere Weise zu erlangen ist, weil etwa dringliche Nachlassangelegenheiten bereits von einer geeigneten, gleichsam neutral nach den Interessen aller möglichen Beteiligten verwaltenden Person erledigt werden (BGH FamRZ 2012, 1869 ff.), ist dies nicht gegeben, wenn - wie hier - der Erbprätendent in seinen Eingaben an das Nachlassgericht keinen Zweifel daran gelassen hat, dass er sich auf nach seiner Meinung zuverlässiger Grundlage selbst als Alleinerbe sieht und dementsprechend zu handeln gedenkt.
Normenkette
BGB § 1960 Abs. 1-2, § 2255
Verfahrensgang
AG Krefeld (Beschluss vom 06.03.2014; Aktenzeichen 121 VI 51/14) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird auf Kosten des Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.
Geschäftswert: bis 35.000 EUR.
Gründe
I. Die Erblasserin hatte mit ihrem Ehemann ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament vom 14.6.2001 errichtet. Außerdem war ein notarielles Testament der Erblasserin vom 28.6.2007 beim Nachlassgericht eingereicht worden. Nach dem Tode der Erblasserin teilte die Sparkasse Krefeld mit Schreiben vom 25.9.2013 mit, die Erblasserin habe in ihrem Hause unter anderem ein Schließfach unterhalten, in dem sich nach dortigem Kenntnisstand zwei Briefumschläge mit den Aufschriften "Testament A. B." und "alte Testamente A. B." befänden. Auf Nachfrage des Gerichts erklärte die Sparkasse, Inhaber des Schließfachschlüssel sei der Beteiligte zu 1. An diesen trat das Nachlassgericht alsdann heran und erläuterte, dass er, sollte er den Schließfachschlüssel innehaben, gebeten werde, die möglichen Testamente aus dem Schließfach zu entnehmen, damit diese dem Nachlassgericht zur Eröffnung vorgelegt werden könnten; die Übersendung erfolge in aller Regel durch die Sparkasse. Hierauf entgegnete der Beteiligte zu 1. per e-Mail vom 20.11.2013, das letzte von der Erblasserin im Krankenhaus Düsseldorf verfasste Testament habe er lediglich in Kopie; die Erblasserin habe ihm mitgeteilt, das Original befinde sich in der Türkei und er werde das Original genau ein Jahr nach ihrem Tode erhalten, so lange habe er zu warten. In einer e-Mail vom selben Tage forderte das Nachlassgericht ihn auf, anzugeben, bei wem sich das von ihm genannte Original in der Türkei befinde. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beteiligte zu 1. im Rahmen eines vor dem AG Krefeld geführten einstweiligen Verfügungsverfahrens eine Fotokopie eines eigenhändigen Testaments der Erblasserin unter dem 20.8.2013 zur Akte gereicht. Mit Schreiben vom 29.12.2013 teilte er dem Nachlassgericht mit, nach der letzten testamentarischen Verfügung der Erblasserin sei er Alleinerbe geworden, eine Kopie des Testaments liege dem Gericht doch vor; seines Wissens befinde sich das Originaltestament bei einem Herrn Bo. in Antalya, doch habe er von diesem keine Adresse und auch keine "funktionierende" Telefonnummer.
Am 15.1.2014 eröffnete das Nachlassgericht das (erstmals nach dem Tode des Ehemannes eröffnete) gemeinschaftliche Testament von 2001 sowie das Testament der Erblasserin von 2007. Bemühungen des Gerichts, über den 2007 eingesetzten Alleinerben in der Türkei etwas zum Verbleib möglicher weiterer Testamente zu erfahren, scheiterten in der Folgezeit.
Daraufhin ordnete das Nachlassgericht durch die angefochtene Entscheidung Nachlasspflegschaft an und bestellte den Beteiligten zu 2. zum Nachlasspfleger mit den Aufgabenkreisen der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Ermittlung der Erben. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seinem am 26.3.2014 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, zu dessen Begründung er unter anderem anführt: Eine Unklarheit über die Erben bestehe ebenso wenig wie ein Bedürfnis für gerichtliche Fürsorge. Er sei Alleinerbe und habe auch bereits mit Schreiben vom 27.2.2014 einen Antrag auf Erteilung eines entsprechenden Erbscheins gestellt. Im Übrigen sei die von ihm angenommene Erbschaft überschuldet.
Ende März 2014 reichte der Beteiligte zu 2. zwei verschlossene Umschläge, die sich im Schließfach bei der Sparkasse Krefeld befunden hatten, beim Nachlassgericht ein. Im Umschlag mit der Aufschrift "Testament A. B." befand...