Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Das Oberlandesgericht Düsseldorf legt dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1. Ist Art. 34 AEUV dahingehend auszulegen, dass eine durch nationales Recht angeordnete Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellt?

2. Sollte der Gerichtshof die Frage zu Nummer 1) bejahen:

Ist die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß Art. 36 AEUV zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt, wenn nur durch sie eine gleichmäßige und flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in ganz Deutschland, insbesondere in den ländlichen Gebieten gewährleistet wird?

3. Sollte der Gerichtshof auch die Frage zu Nummer 2) bejahen:

Welche Anforderungen sind an die gerichtliche Feststellung zu treffen, dass der in Ziffer 2 2. Halbsatz genannte Umstand tatsächlich zutrifft?

 

Gründe

A. Dem Oberlandesgericht liegt die Berufung eines nach deutschem Recht eingetragenen Vereins vor, der vor den deutschen Gerichten wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens auf Unterlassen in Anspruch genommen wird.

Das Berufungsgericht hält für sein Urteil eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Auslegung der Art. 34 und 36 AEUV für erforderlich.

I. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte ist eine als eingetragener Verein verfasste Selbsthilfeorganisation, deren Ziel es ist, die Lebensumstände von X-Patienten und deren Familien zu verbessern. Mit einem Schreiben, das eine Kooperation zwischen dem Beklagten und der Versandapotheke Y bewirbt, wandte sich der Beklagte im Juli 2009 an seine Mitglieder und stellte ihnen ein Bonussystem vor, das verschiedene Boni für rezeptpflichtige, nur über Apotheken erhältliche X-Medikamente bei deren Bezug durch die Mitglieder des Beklagten von Y vorsieht.

Der Kläger, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält die Werbung für gemäß § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) a.F. und §§ 1, 3 Arzneimittelpreisverordnung bzw. § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG n.F. unlauter, da das beworbene Bonusmodell gegen die gesetzlich vorgesehene Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises verstoße.

§ 78 Abs. 1 S. 1 AMG sah und sieht Folgendes vor:

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie wird ermächtigt, ... 1. Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel, in Apotheken oder von Tierärzten im Wiederverkauf abgegeben werden, ... festzusetzen ...

§ 78 Abs. 2 AMG lautet wie folgt:

Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Tierärzte, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen. Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten.

Die Arzneimittelpreisverordnung sieht - soweit hier interessierend - vor, dass der Hersteller für sein Medikament einen Preis festzusetzen hat (§ 1), auf den dann noch Großhandelszuschläge (§ 2) und Apothekenzuschläge (§ 3) aufgeschlagen werden. Für nicht verschreibungspflichtige Medikamente gilt diese Verordnung nicht. § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Heilmittelgesetzes verbietet zudem Rabatte.

Zeitweise war infolge divergierender Entscheidungen von Gerichten unklar, ob diese Vorschrift auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel galt, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels an Endverbraucher abgeben. Der Gesetzgeber hat daraufhin mit Gesetz vom 19.10.2012 (BGBl. I S. 2192) in § 78 Abs. 1 AMG folgenden Satz eingefügt:

Die Arzneimittelpreisverordnung, die auf Grund von Satz 1 erlassen wurde, gilt auch für Arzneimittel, die nach § 73 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.

Der in Bezug genommene § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG betrifft Arzneimittel, die im Wege des Versandhandels von einer Apotheke mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union an Endverbraucher im Inland abgegeben werden. Des Weiteren hat der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte mit Beschluss vom 22.8.2012 (NJW 2013, 1425) entschieden, dass auch die frühere Fassung des AMG in diesem Sinne auszulegen war.

Der Beklagte hält die genannten Regelungen für nicht anwendbar und europarechtswidrig.

II. Das LG hat der Klage stattgegeben und dem Beklagten untersagt, im Wettbewerb handelnd im Rahmen einer Kooperation mit der Versandapotheke Y deren Bonusmodell zu empfehlen, wenn dies geschieht wie mit dem den Streit auslösenden Anschreiben.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LG ausgeführt, das Unterlassungsbegehren sei begründet, da der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Anschreiben gegen § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 AMG und §§ 1, 3 Arzneimittelverordnung verstoßen habe. Das Schreiben stelle eine geschäftliche Handlung des Bekl...

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