Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bemessung des Geschäftswerts für das Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins kann nach aktueller Gesetzeslage nicht (mehr) darauf abgestellt werden, welches wirtschaftliche Ziel ein Antragsteller oder Beschwerdeführer für sich im Ergebnis anstrebt.
2. Diese Bewertungsvorgabe (Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls ohne Abzug anderer als vom Erblasser herrührender Verbindlichkeiten) führt unter Umständen dazu, dass die Kostenlast außer Verhältnis zu dem erstrebten wirtschaftlichen Ziel steht und geeignet sein kann, den Zugang zur Rechtsmittelinstanz zu beeinträchtigen (Art. 19 Abs. 4 GG), was hier (Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls: 500.000 EUR; wirtschaftliches Ziel des Antragstellers: Erteilung eines ihn mit einer Erbquote von 1/6 ausweisenden Erbscheins) noch nicht der Fall ist.
Normenkette
GNotKG § 61 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 40 S. 2
Verfahrensgang
AG Geldern (Beschluss vom 02.04.2014; Aktenzeichen 26 VI 409/12) |
Tenor
1. Die Beteiligte zu 2. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kosten ihres Rechtsmittels sind der Beteiligten zu 2. aufzuerlegen, nachdem sie dieses zurückgenommen hat.
Gemäß § 80 Satz 1 FamFG sind Kosten sowohl die Gerichtskosten - Gebühren und Auslagen - als auch die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Grundsätzlich kann das Gericht die Kosten eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen, § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, jedoch soll es nach § 84 FamFG die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Ob im Falle der Zurücknahme eines Rechtsmittels - wie hier - die Kostenentscheidung nach § 84 FamFG oder nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu treffen ist, wird nicht einheitlich beantwortet, wenngleich sich die überwiegende Meinung für die erstgenannte Möglichkeit ausspricht (zum Meinungsstand: KG FGPrax 2011, 207; OLG Frankfurt v. 6.8.2013 - 20 W 40/13, FamRZ 2014, 688 f.; Keidel-Zimmermann, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 84 Rz. 19). Indes bedarf dieser Streit praktisch regelmäßig keiner Entscheidung, weil auch die Minderheitsauffassung anerkennt, dass die Rücknahme eines Rechtsmittels zwar für sich allein keinen zwingenden Grund für die Kostenauferlegung bildet, jedoch in der erforderlichen Billigkeitsabwägung erhebliches Gewicht behält (MK-Schindler, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 84 Rz. 20).
In diesem Sinne liegen die Dinge auch hier. Eine besondere Fallgestaltung, die es geböte, die Beteiligte zu 2. trotz ihrer Beschwerderücknahme nicht mit den Kosten des Rechtsmittels zu belasten, ist nicht feststellbar. Weder geht es um eine Streitigkeit unter einander besonders nahestehenden Familienangehörigen, noch ist die Rücknahme im Zuge einer vergleichsweisen Einigung erklärt worden. Ebenso wenig ist sie angesichts einer besonders schwierigen Rechtslage im Hinblick auf einen gerichtlichen Hinweis, welche Rechtsauffassung das Beschwerdegericht zuneige, erfolgt. Die Einlegung der Beschwerde ist bei objektiver Betrachtungsweise auch nicht etwa durch den Gang des erstinstanzlichen Verfahrens veranlasst gewesen. Das Nachlassgericht hatte die Beteiligten durch ausführlichen Hinweisbeschluss vom 20.2.2014 auf die verfahrensrechtlichen Gegebenheiten beim Einwand fehlender Authentizität einer letztwilligen Verfügung hingewiesen und den Beteiligten zu 1. bis 3. Gelegenheit zur Konkretisierung ihres diesbezüglichen Vortrags unter ausdrücklicher Erwähnung der Möglichkeit gerichtlicher Anforderungen von Vergleichsschriftproben bei Beteiligten und anderen Personen eingeräumt. Daraufhin hat die Beteiligte zu 2. lediglich über einen gescheiterten Versuch der Beurteilung der Echtheit des Testaments durch einen Privatgutachter berichtet. Dass das Nachlassgericht hierdurch nicht zur Einholung des von der Beteiligten zu 2. gewünschten gerichtlichen Schriftsachverständigengutachtens bewegt werden würde, lag zumindest nahe. Das maßgebliche Vorbringen, wegen bestimmter Eigenheiten des Erblassers müsse die Beteiligte zu 4. über eine Vielzahl von Schriftstücken und Unterlagen über Dinge des täglichen Lebens mit seiner Handschrift verfügen, ist durch die Beteiligte zu 2. erst mit der Rechtsmittelbegründung erfolgt, ohne dass erläutert oder auch nur angesprochen worden wäre, dass dieser Vortrag nicht bereits zuvor hätte gehalten werden können. Auf die Beschwerdebegründung hin ist das Nachlassgericht im Abhilfeverfahren dann auch umfassend tätig geworden. Angesichts des Ergebnisses dieser Ermittlungen hat die Rechtsmittelrücknahme letztlich nur der Vermeidung der Zurückweisung des Rechtsmittels aus tatsächlichen Gründen gedient.
Schließlich nötigt die von der Beteiligten zu 2. angesprochene obergerichtliche Rechtsprechung (SchlHolstOLG FamRZ 2013, 719 ff.) zu keiner abweichenden Beurteilung. Diese bezieht sich au...