Leitsatz (amtlich)

1. Als nicht mittellos ist ein Nachlass anzusehen, der - unter Außerbetrachtlassung bestehender Nachlassverbindlichkeiten - über hinreichende Mittel zur Bezahlung einer Vergütung für den Nachlasspfleger verfügt.

2. Maßgeblich für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Nachlasses ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz, wobei ein Verbrauch des zunächst vorhandenen Nachlasses durch die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten während der Nachlasspflegschaft nicht zur Mittellosigkeit im Rechtssinne führt.

3. Die bei einem bemittelten Nachlass - abweichend von § 3 VBVG - nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte vom Nachlassgericht angenommene Vergütung für den Nachlasspfleger nach einem Mittelwert von derzeit 110 EUR/Stunde überschreitet nicht die Grenzen pflichtgemäßem Ermessens.

 

Normenkette

BGB § 1915 Abs. 1 S. 2; VBVG § 3

 

Verfahrensgang

AG Neuss (Beschluss vom 27.12.2010; Aktenzeichen 131 VI 171/05)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Wert: 3.603,68 EUR.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 2 ist der Bruder der 7.6.2005 in Neuss ohne Errichtung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen M. D..

Er schlug unter dem 13.7.2005 die Erbschaft aus, weil er den Nachlass mit Blick auf noch ausstehende Heimkosten der Erblasserin für überschuldet hielt.

Mit Beschluss vom 22.8.2005 ordnete das Nachlassgericht Nachlasspfleg- schaft für die unbekannten Erben der Erblasserin an und bestellte die Beteiligte zu 1 zur Nachlasspflegerin mit dem Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Erbenermittlung.

Diese nahm ihre Tätigkeit auf und verfasste in der Folgezeit verschiedene Berichte, nämlich u. A. den Antrittsbericht vom 2.11.2005 sowie Nachlassspezifikationen vom 4.9.2006, 19.3.2007, 29.4.2008, 21.7.2009 und 9.2.2010 und vertrat die unbekannten Erben bei der mit Beschluss vom 9.10.2008 angeordneten Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft, betreffend den Grundbesitz in Uedesheim.

Unter dem 14.4.2010 erklärte der Beteiligte zu 2 gegenüber dem AG - Nachlassgericht - 131 VI 145/05 - die Anfechtung der Ausschlagung; am 27.7.2010 wurde ihm ein Erbschein als Alleinerbe erteilt.

Die Beteiligte zu 1 hat mit Gesuch vom 6.8.2010 unter Bezugnahme auf die Neue Rheinische Tabelle 2000 eine der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers entsprechende Vergütung von 4 % des nach ihrem Antrittsbericht vom 2.11.2005 sich auf 95.164, 22 EUR belaufenden Bruttonachlasses, nämlich 3.806,56 EUR zzgl. Mehrwertsteuer, beantragt.

Der Beteiligte zu 2 ist dem entgegen getreten und hat im Wesentlichen geltend gemacht, er hafte als Erbe nicht für die Vergütung; einer Nachlasspflegschaft habe es nicht bedurft; die Höhe der Vergütung sei zu beanstanden; dem Antrag sei eine Aufstellung über den Zeitaufwand nicht beigefügt; im Übrigen sei die Vergütung binnen 15 Monaten nach Entstehen des Anspruchs geltend zu machen; die Berufsmäßigkeit der Nachlasspflegschaft könne nicht im Nachhinein mit Rückwirkung geltend gemacht werden.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 27.12.2010 festgestellt, dass die Beteiligte zu 1 ihre Tätigkeit als Nachlasspflegerin berufsmäßig ausübe und hat ihr, ausgehend von einem Stundensatz von 110 EUR, eine Vergütung von 3.028,30 EUR bewilligt.

Hiergegen hat sich der Beteiligte zu 2 mit seiner Beschwerde vom 7.1.2011, bei Gericht eingegangen am 14.1.2011, gewandt, mit der er zum Einen die Feststellung der Berufsmäßigkeit, zum Anderen die Festsetzung der Vergütung angreift. Hierzu hat er ergänzend geltend gemacht, das Nachlassgericht setze sich mit vorgetragenen Auffassungen nicht auseinander; es lege den Stundensatz nach Gutdünken fest; die Feststellung der berufsmäßigen Wahrnehmung sei "bei der Bestellung" zu treffen; der Nachholungszeitraum von hier fünf Jahren sei zu lang; auch sei die Feststellung nicht versehentlich unterlassen worden; die Pflegschaft sei aufgrund unrichtiger Tatsachen angeordnet worden; bei der Bemessung der Höhe der Vergütung habe das Nachlassgericht keine Ermessenserwägungen angestellt; der Nachlass sei überschuldet gewesen; er habe von der Nachlasspflegschaft keinen Nutzen gehabt.

Das Nachlassgericht hat mit Verfügung vom 1.2.2011 die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Der Senat hat am 11.7.2011 (I-3 Wx 48+169/11) die Vorlageverfügung des AG aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung an das AG zurückgegeben, da über die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen die nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit der Nachlasspflegschaft das LG zu entscheiden habe und es im Verfahren über das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2 gegen die Festsetzung der Vergütung zunächst einer Entscheidung über die Abhilfe bedürfe.

Das LG hat am 21.9.2011 (19 T 200/11) auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 vom 7.1.2011 den Beschluss des AG vom 27.12.2010 (131 VI 171/05) betreffend die Feststellung der Berufsmäßigkeit der Führung d...

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