Leitsatz (amtlich)
1. Gem. § 304 Abs. 2 StPO steht das Rechtsmittel der Beschwerde jedem zu, der durch eine gerichtliche Anordnung in seinen Rechten betroffen wird. Dazu gehört auch derjenige, dem die Erlaubnis zum Besuch eines Untersuchungsgefangenen versagt wird.
2. Nach § 119 StPO dürfen dem Verhafteten - der mangels rechtskräftiger Verurteilung noch als unschuldig gilt, Art. 6 Abs. 2 MRK - nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert. Dabei bedarf es immer einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Die angeordnete Besuchssperre für die Beschwerdeführerin wird aufgehoben.
Der Beschwerdeführerin ist eine schriftliche Besuchserlaubnis für einen optisch und akustisch überwachten Besuch des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt zu erteilen; die Kommunikation hat in deutscher Sprache stattzufinden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Der Angeklagte BM. befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Wuppertal vom 8. November 2012 und dem des Landgerichts Wuppertal vom 3. April 2013 wegen des dringenden Verdachtes des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. in Untersuchungshaft. Als Haftgrund ist Fluchtgefahr zugrunde gelegt worden.
Das Landgericht hat den Angeklagten am 27. August 2013 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Am 29. August 2013 beantragte der Angeklagte die Aufhebung der Besuchssperre für seine Lebensgefährtin pp. Mit Verfügung vom 30. August 2013 lehnte der Vorsitzende der 6. Strafkammer den Antrag mit der Begründung ab, Frau pp. sei selbst Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren, welches in engem Zusammenhang mit dem vorliegenden Strafverfahren stehe. Dagegen richtet sich die Beschwerde der pp., der der Vorsitzende nicht abgeholfen hat.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Gem. § 304 Abs. 2 StPO steht das Rechtsmittel jedem zu, der durch eine gerichtliche Anordnung in seinen Rechten betroffen wird. Dazu gehört auch derjenige, dem die Erlaubnis zum Besuch eines Untersuchungsgefangenen versagt wird (BGH NJW 1977, 1405).
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Nach § 119 StPO dürfen dem Verhafteten - der mangels rechtskräftiger Verurteilung noch als unschuldig gilt, Art. 6 Abs. 2 MRK - nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert. Dabei bedarf es immer einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Beschränkungen sind nur zulässig, wenn sie erforderlich sind, um eine reale Gefahr für die in § 119 StPO genannten öffentlichen Interessen abzuwehren, und dieses Ziel nicht mit weniger eingreifenden Maßnahmen erreicht werden kann (BVerfGE 35, 5, 10; 42, 234, 236; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 119 Rn. 6 f m.w.N.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Haftzwecks oder der Anstaltsordnung vorliegen, der Umstand allein, dass ein möglicher Missbrauch eines Freiheitsrechts nicht völlig auszuschließen ist, reicht nicht aus (BVerfG a.a.O.; OLG Hamm StV 1998, 35). Dies gilt umso mehr, wenn es um Besuche von dem Untersuchungsgefangenen nahe stehenden Personen geht, die der Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte dienen.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte den Besuch seiner Lebensgefährtin zur Vorbereitung einer Flucht oder zur Verdunkelung missbrauchen würde, liegen jedoch nicht vor. Soweit die Beschwerdeführerin sich an den Taten des Angeklagten beteiligt haben sollte und insoweit anlässlich der Besuche Absprachen betreffend Prozessverhaltens erfolgten könnten, kann der Gefahr durch optische und akustische Überwachung der Kommunikation in - wie von der Beschwerdeführerin selbst angeregt - deutscher Sprache begegnet werden. Zwar hat der Vorsitzende in seiner Nichtabhilfeentscheidung dargelegt, der Angeklagte und die Beschwerdeführerin hätten sich in verschlüsselter und konspirativer Weise über die von ihm betriebenen Rauschgiftgeschäfte verständigt, so dass auch bei einem überwachten Besuch die Gefahr bestünde, dass in verschlüsselter Weise Verständigungen über Drogengeschäft erzielt oder sonstige verfahrenserhebliche Informationen ausgetauscht würden. Der Senat hat der Akte, insbesondere dem Protokoll der Fahrrauminnenüberwachung (Bd. 7, BI. 2680 ff.), jedoch nicht entnehmen können, dass der Angeklagte eine derart außergewöhnlich verschlüsselte Sprache benutzt, die keinen Argwohn des Besuchsüberwachungspersonals hervorrufen wird. Soweit der Angeklagte Betäubungsmittel als "Zeug" oder "Waschpulver" zu bezeichnen pflegt, werden die Beamten der JVA durchaus auf diese Schlüsselwörter reagieren können. Der Senat hat deshalb entsprechend § 19 UVollzG die Überwachung der Besuche angeordnet.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
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