Leitsatz (amtlich)
1. Die Voraussetzungen der Insolvenzreife gelten nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung auch dann als bewiesen, wenn der Geschäftsführer die ihm obliegende Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen nach den §§ 238, 257 HGB, § 41 GmbHG verletzt hat und deshalb dem Insolvenzverwalter, der Ansprüche nach § 64 GmbHG a.F. geltend macht, die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist.
2. Überträgt der Beklagte in Kenntnis eines bevorstehenden Prozesses und der damit verbundenen Prozesskosten seinen Miteigentumsanteil an einem teilweise unbelasteten Grundstück, welcher den wesentlichen Teil seines Vermögens ausmacht, auf seine Ehefrau, ohne die für diesen Rechtsstreit notwendigen Mittel zurückzuhalten, so hat er seine Bedürftigkeit vorsätzlich herbeigeführt. Wenn nicht nur mit der Möglichkeit eines Gerichtsverfahrens gerechnet werden muss, sondern vielmehr die Einleitung eines solchen erkennbar beabsichtigt ist, hat eine Partei vernünftige Vorsorgemaßnahmen zu treffen, ihre Rechtsverteidigung in dem beabsichtigten Prozess aus eigenen Mitteln bestreiten zu können. Tut sie dies nicht, ist es evident, dass das ansonsten von ihr zu tragende Prozesskostenrisiko auf die Allgemeinheit abgewälzt werden soll.
Normenkette
GmbHG a.F. §§ 41, 64; ZPO § 114
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 4 O 109/21) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 09.03.2022 gegen den sein Prozesskostenhilfegesuch zurückweisenden Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 04.02.2022 (4 O 109/21) in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 14.03.2022 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerechte, Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten vom 12.08.2021 zu Recht zurückgewiesen.
Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine beklagte Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht mutwillig erscheint und hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Letzteres ist der Fall, wenn die Klage unzulässig oder unschlüssig ist, wenn der Beklagte das tatsächliche Vorbringen des Klägers in zulässiger Weise bestreitet oder wenn er Tatsachen behauptet, die geeignet sind, den Klageanspruch zu Fall zu bringen (BGH, Beschl. v. 08.06.2004 - VI ZB 49/03, NJW 2004, 2595; BeckOK ZPO/Reichling, 44. Ed. 1.3.2022, § 114 Rn. 37). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
1. Die beabsichtigte Rechtsverteidigung hat schon keine hinreichende Erfolgsaussicht. Dem Kläger steht nach dem derzeitigen Verfahrensstand auf der Grundlage seines hinreichend substantiierten und schlüssigen Vorbringens der geltend gemachte Ersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 64 Satz 1 GmbHG in der vom 1.11.2008 bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (nachstehend: a.F.; s. Art. 16 Nr. 2, 25 I SanInsFoG v. 22.12.2020, BGBl. 2020 I 3256) zu. Nach dieser Vorschrift, welche auch auf die Unternehmergesellschaft als Sonderform der GmbH Anwendung findet (vgl. MüKoGmbHG/Rieder, 4. Aufl. 2022, § 5a Rn. 51), sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Das bisherige tatsächliche Vorbringen des Beklagten ist demgegenüber nicht erheblich.
1.1 Auf der Grundlage des Klägervortrags ergibt sich als Ergebnis einer Auswertung der als Anlagenkonvolut K 3 zur Gerichtsakte gereichten Geschäfts- und Kontounterlagen - insbesondere soweit diese sich zu Erlösen und Ausgaben verhalten -, dass der Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin zu keiner Zeit kostendeckend geführt worden ist. Vielmehr zeigt sich unter Berücksichtigung des Stammkapitals von nur 3.000,00 EUR bereits per 31.12.2015 eine Überschuldung in Höhe von 23.569,27 EUR, welche sich bis Ende 2018 auf 98.434,16 EUR erhöht hat (Bl. 5 GA LG). Näheren Vortrag hierzu hält der Kläger zwar nicht, zudem legt er keine Liquiditätsbilanz zum Beleg der behaupteten Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin vor, obwohl zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz grundsätzlich nur dann entbehrlich ist, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (BGH, Urt. v. 06.05.2021 - IX ZR 72/20, NZI 2021, 720, 721 Rn. 14; Beschl. v. 15.11.2018 - IX ZR 81/18, ZInsO 2019, 192 Rn. 3). Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung muss wiederum derjenige darlegen und beweisen, der daraus Rechte für sich herleiten will (vgl. BGH, Urt. v. 25.07.2005 - II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 57; v. 06.06.1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 200). Gleiches gilt für die behauptete Übe...