Leitsatz (amtlich)
1. Beauftragt der Mandant den Rechtsanwalt zunächst mit der Prüfung der Erfolgsausichten einer bereits anderweitig erhobenen Klage und nimmt er dann, dem anwaltlichen Rat folgend, die Klage zurück, so handelt es sich um eine neue Angelegenheit, wenn der Rechtsanwalt anschließend auftragsgemäß außergerichtliche Vergleichsverhandlungen mit dem früheren Prozessgegner führt.
2. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe des Entgelts für seine Tätigkeit mitzuteilen
Normenkette
BGB §§ 675, 611; RVG § 15
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 15.10.2009; Aktenzeichen 10 O 58/09) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 15.10.2009 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Mönchengladbach wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Berufungsstreitwert: 3.521,49 EUR
Gründe
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die gegen die Entscheidung vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine dem Kläger günstigere Entscheidung.
I. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 4.5.2010. Dort hat er im Wesentlichen ausgeführt:
1. Die von dem LG zutreffend berechnete und insoweit von dem Beklagten nicht angegriffene Gebührenforderung steht der Klägerin zu, weil der Beklagte sie am 1.6.2006 beauftragt hat, in dem Rechtsstreit 11 O 262/05 LG Mönchengladbach für ihn in der Weise tätig zu werden, dass Rechtsanwalt W. Akteneinsicht nehmen und die Erfolgsaussichten der weiteren Rechtsverfolgung prüfen solle; entsprechend ist der Rechtsanwalt auch in der Folgezeit vorgegangen und hat dem Beklagten als Ergebnis seiner Prüfung mitgeteilt, er rate zu einer Rücknahme der Klage. Der Vortrag der Klägerin zu ihrer Beauftragung und deren Inhalt ist bereits aufgrund des erstinstanzlichen Vorbringens des Beklagten als zugestanden anzusehen (§ 288 Abs. 1 ZPO). So hat der Beklagte etwa mit dem Klageerwiderungsschriftsatz vom 17.3.2009 ausgeführt, er habe der Klägerin das Mandat in dem genannten Rechtsstreit zum Zweck der Einsichtnahme in die Gerichtsakten übertragen sollen und dazu eine Vollmacht unterschrieben. Mit der Berufung wendet sich der Beklagte folgerichtig auch nicht mehr dagegen, die Klägerin beauftragt zu haben.
Zutreffend ist auch, dass die Klägerin die Gebühren für ihre Tätigkeit in dem gerichtlichen Verfahren gesondert abgerechnet hat; bei den anschließend geführten Vergleichsverhandlungen handelte es sich nicht um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG. Zur Bestimmung des Begriffs der Angelegenheit können als Abgrenzungskriterien herangezogen werden, ob es sich um einen einheitlichen Auftrag handelt, die anwaltliche Tätigkeit in Inhalt und Zielsetzung übereinstimmt und ein innerer Zusammenhang der einzelnen Handlungen oder Gegenstände der anwaltlichen Tätigkeit besteht (vgl. Hartung/Römermann/Schons. RVG., 2. Aufl., § 15 Rz. 14; Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 15 Rz. 5 ff.); jedenfalls endet im Sinne des Gebührenrechts die Angelegenheit mit dem Auftrag (vgl. Riedel/Sußbauer, a.a.O., Rz. 8). Mit der Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung und der erteilten Empfehlung, die Klage zurückzunehmen, war der der Klägerin zunächst erteilte Auftrag erledigt; dementsprechend hat der Rechtsanwalt auch das Mandat in dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 19.7.2006 niedergelegt. Die Aufnahme der Vergleichsverhandlungen über die Erbauseinandersetzung insgesamt, mit denen die Klägerin anschließend beauftragt wurde, beruhte auf einem neuen Auftrag, der auch eine neue Zielsetzung hatte, nämlich die außergerichtliche Bereinigung der Erbangelegenheit.
2. Gegenüber der damit entstandenen Gebührenforderung der Klägerin kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, ihm sei nicht erkennbar gewesen, dass hierdurch eine "weitere, immens hohe" Gebühr ausgelöst werden würde, und er hätte den Auftrag nicht bzw. nicht in der Form erteilt, wenn er hiervon gewusst hätte.
a) Auf die durch einen Vertragsschluss kraft Gesetzes entstehenden Anwaltsgebühren muss der Rechtsanwalt regelmäßig nicht ungefragt hinweisen, weil kein Mandant ein unentgeltliches Tätigwerden des Anwalts erwarten darf und dessen gesetzliche Gebühren allgemein zu erfahren sind. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe des Entgelts mitzuteilen (BGH, NJW 2007, 2332; 1998, 136; NJW 1998, 3486). Dass er nach der Höhe der Gebühren für die begehrte Prüfung der Erfolgsaussichten nach Akteneinsicht gefragt hätte, hat der Beklagte nicht dargetan. Lediglich zu dem Erstgespräch, innerhalb dessen das hier abgerechnete Mandat erteilt worden ist, soll Rechtsanwalt W. dem Zeugen H. erklärt haben, dieses sei kostenfrei; solle dann - wie geschehen - ein Auftrag erteilt werden, werde nach Gebührenordnung abgerechnet. Die behauptete weitere Gebührenauskunft soll dagegen erst im Anschluss an die Akteneinsicht in dem Gespräch vom 18.7.2006 erteilt worden sein.
b) Übe...