Leitsatz (amtlich)
1. War der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes niederländischer Staatsangehöriger und lebte er noch nicht mindestens 5 Jahre in Deutschland, so richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach niederländischem Recht.
2. Hat der verheiratete Erblasser (im Jahr 2000) per Testament eine Nachlassverteilung in der Weise vorgenommen, dass der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Todes die gesamten Aktiva und Passiva mit dinglicher Wirkung erhalten und den Kindern als Miterben lediglich ein bis zum Tode des Überlebenden gestundeter Geldanspruch in Höhe ihres Erbteils zustehen soll, so entspricht diese seit 1969 zugelassene, nunmehr seit dem 1.1.2003 bei vorhandenen Abkömmlingen als gesetzliche Erbfolge geregelte "elterliche Nachlassverteilung" ("ouderlijke boedelverdeling") einer mit Vermächtnissen bzw. ggf. Pflichtteilsansprüchen verbundenen Alleinerbeneinsetzung des deutschen Rechts; in diesem Fall ist dem überlebenden Ehegatten ein unbeschränkter Fremdrechtserbschein als Alleinerbe unter Anwendung niederländischen Erbrechts zu erteilen.
Normenkette
FamFG §§ 105, 343 Abs. 1; BGB §§ 2353, 2369; EGBGB Art. 4 Abs. 1 S. 1, Art. 25 Abs. 1; ErbÜ Art. 3 Abs. 2 S. 1; BW Art. 4 §§ 1167 ff.
Verfahrensgang
AG Kleve (Beschluss vom 24.04.2014; Aktenzeichen 17 VI 810/13) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, dem Beteiligten einen Erbschein als Alleinerbe nach der Erblasserin nach niederländischem Recht zu erteilen.
Geschäftswert: 398.000 EUR
Gründe
I. Der Antragsteller ist der Ehemann der am 5.7.2009 in Kleve mit letztem Wohnsitz in Kranenburg dort verstorbenen Erblasserin.
Die Eheleute waren im Güterstand der Gütergemeinschaft nach niederländischem Recht verheiratet; die Erblasserin lebte seit weniger als fünf Jahren in Deutschland; sie hinterließ fünf Kinder. Zum Nachlass gehört ein Grundstück in Kranenburg.
Die Erblasserin errichtete zu Urk.-Nr. 20039967/2/CG/AW des Notars G. in Nijmegen/Niederlande vom 16.11.2000 unter Vorlage eines niederländischen Reisepasses eine in niederländischer Sprache abgefasste Verfügung von Todes wegen, die in den Niederlanden eröffnet wurde und in Übersetzung auszugsweise wie folgt lautet:
..." Ich bestimme, dass bezüglich der Vererbung meines Nachlasses niederländisches Recht Anwendung findet ...
Ich ernenne zu meinem einzigen Erben meinen Gatten sowie meine Kinder jeden zu einem gleichen Teil, und dies unter Anwendung der gesetzlichen Regeln ... des Zugewinns zum Zeitpunkt meines Ablebens,...
Wenn von meinem Gatten nicht innerhalb von sechs Monaten nach meinem Versterben erklärt wird, dass er die nachfolgende elterliche Aufteilung des Inventars nicht oder nicht vollständig akzeptiert,... bestimme ich wie folgt:
... Ich teile meinem Gatten zu: Sämtliche Güter, die offenbar zu meinem Nachlass gehören werden, dies für ihn verbunden mit der Verpflichtung:
a. Auf sich zu nehmen und als eigene Schuld zu erstatten: sämtliche Schulden, die zu Lasten meines Nachlasses bestehen werden sowie die Kosten meines Begräbnisses oder meiner Feuerbestattung;
b. die von meinen übrigen Erben aus meinem Nachlass geschuldeten Erbschaftssteuern ...
c. meine übrigen Erben bezüglich sämtlicher Ansprüche Dritter in dieser Sache zu befreien.
2. Durch die hierdurch erfolgende Zuteilung des größeren Anteils, verbunden mit der Verpflichtung, die anderen schadlos zu halten (overbedeling), wird mein Gatte meinen übrigen Erben einen Betrag in Höhe des Wertes des Erbteils des beteiligten Erben schulden,...
Die unter ... 2. bezeichneten Forderungen ... zu Lasten meines Gatten werden erst bei seinem Versterben fällig.
Ich ernenne meinen Gatten zum Durchführenden meiner Letztwilligen Verfügung, zum Organisator meiner Beerdigung sowie zum Vollstrecker meines Nachlasses ..."
Der Antragsteller hat zunächst geltend gemacht, die Wahl des niederländischen Rechts im Testament sei unwirksam. Die Erblasserin habe sowohl die niederländische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit gehabt. Deshalb sei für den Erbfall zwingend deutsches Recht anzuwenden. Mit Rücksicht auf die getroffenen Anordnungen zur Verteilung sei davon auszugehen, dass er Alleinerbe sei. Da er in dem Testament als "executeur" ernannt sei, sei er unter Anwendung deutschen Rechtes auch zum Testamentsvollstrecker ernannt, und ihm sei ein entsprechendes Zeugnis zu erteilen.
Der Antragsteller hat zu UR.- NR. 1998/2013 des Notars Dr. W. in Kleve vom 3.12.2013 hat beantragt, ihm einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein sowie ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen.
Das Nachlassgericht hat nach Anhörung der übrigen gesetzlichen Erben, die Einwendungen nicht erhoben haben, und Einholung eines Nachweises zur Staatsangehörigkeit der Erblasserin - insoweit ist über den beurkundenden Notar eine Abschrift des entwerteten niederländischen Paspoorts eingereicht worden - am 24.4.2014 den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins und eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ...