Leitsatz (amtlich)
1.
Erklären die maßgeblichen Beteiligten an der Gründung einer Societas Europaea - SE (hier eine deutsche GmbH und eine britische Ltd. und die künftige SE) weder Arbeitnehmer zu haben noch solche jemals beschäftigen zu wollen, so stellt der fehlende Nachweis der Arbeitnehmerbeteiligung ein Eintragungshindernis nach Art. 12 Abs. 2 SE-VO nicht dar.
2.
Die unter 1. genannten Grundsätze gelten auch für die Gründung einer Tochter-SE als "Vorratsgesellschaft".
3.
Zur Frage einer Nachholung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens bei Ausstattung der Vorrats-SE mit einem Arbeitnehmer beschäftigenden Unternehmen.
Normenkette
EG-VO 2157/2001 Art. 2 Abs. 3; SEAG § 3; SEBG § 18 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 24.09.2008; Aktenzeichen 36 T 16/08) |
AG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.05.2008; Aktenzeichen 88 HRA 414/08) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Das Amtsgericht -Registergericht - wird angewiesen, die nachgesuchte Eintragung nicht mit der Begründung zu versagen, es fehle an der Eintragungsvoraussetzung einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer nach Art 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates der Europäischen Union vom 08. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-VO).
Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000,- Euro.
Gründe
Die Gründerinnen, eine GmbH mit Sitz in Bonn sowie eine Vermögensverwaltungs Ltd. mit Sitz in B./Großbritannien, beabsichtigen, die Beteiligte als Europäische Aktiengesellschaft (S. E.- SE) zu gründen und erstreben ihre Eintragung in das Handelsregister.
Sämtliche Beteiligten versichern, weder Arbeitnehmer zu beschäftigen noch die Einstellung von Arbeitnehmern zu beabsichtigen.
Das Amtsgericht - Registergericht - hat den entsprechenden Eintragungsantrag vom 15. Februar 2008 (UR-R.-NR. 1932/2008 des Notars Dr. K.) mit Beschluss vom 28. Mai 2008 abgelehnt, weil die Eintragung einer SE ohne Regelung der Arbeitnehmerbeteiligung nach dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 SE-VO nicht möglich sei.
Hiergegen hat sich die Beteiligte beschwert.
Sie hat geltend gemacht, der Gesetzgeber gehe zwar davon aus, dass die SE im Regelfall auch Arbeitnehmer beschäftigen werde. Art. 12 Abs. 2 SE-VO, dessen Formulierung Arbeitnehmer voraussetze, müsse aber so verstanden werden, dass bei vorhandenen Arbeitnehmern die Eintragung erst erfolgen könne, wenn eine Vereinbarung über deren Beteiligung geschlossen worden sei. Beschäftigten - wie hier - weder die Gründerinnen noch die Gesellschaft selbst Arbeitnehmer, so bedürfe es indes eines Arbeitnehmerschutzes nicht. In einem solchen Fall dürfe die Eintragung einer SE nicht mit der Begründung des Fehlens einer Regelung über die Arbeitnehmerbeteiligung verweigert werden.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, es fehle an der Eintragungsvoraussetzung einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer nach Art 12 Abs. 2 der SE-VO. Danach könne eine SE erst dann eingetragen werden, wenn die dort aufgeführten Voraussetzungen eingehalten worden seien, nämlich die Art und Weise der Arbeitnehmerbeteiligung mit der Entstehung der SE geklärt worden sei, was vorliegend unzweifelhaft, auch nach dem Vorbringen der Gesellschaft, nicht der Fall sei. Nach dem eindeutigen und klaren Wortlaut der Verordnung dürfe zuvor eine Eintragung der Gesellschaft nicht erfolgen.
Der Umstand, dass weder die "Vorrats-SE" noch deren Gründerinnen (derzeit) über Arbeitnehmer verfügten, rechtfertige eine andere Beurteilung nicht. Die EG-Verordnung sehe eine Ausnahmeregelung für arbeitnehmerlose Vorratsgesellschaften ausdrücklich nicht vor.
Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Regelung der Arbeitnehmerechte mit der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 08. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (Abl. L 294 vom 10. November 2001, S. 22 - SE-RL) ein Kernstück der EG-Verordnung darstelle, sodass nicht davon auszugehen sei, dass eine Lücke im Gesetz vorliegt. Insbesondere könne nicht angenommen werden, dass dieses Kernstück der Verordnung dadurch solle umgangen werden können, dass Gesellschaften ohne Arbeitnehmer zunächst eine arbeitnehmerlose SE gründen, um so die Regelung über die Arbeitnehmerrechte unterlaufen zu können. Gesellschaften, die eine SE gründen wollten, würden nicht unbillig belastet. Denn diesen stehe der Weg offen, entsprechend den Vorschriften der EG-Verordnung eine SE zu gründen, unterbunden sei nur der Weg, durch Erwerb einer arbeitnehmerlosen SE die Vorschriften über die Beteiligung der Arbeitnehmerrechte zu umgehen.
Klarstellend werde darauf hingewiesen, dass der vorliegende Fall eine reine Vorratsgesellschaft betreffe, die grundsätzlich arbeitnehmerlos sei und deren Sinn und Zweck allein die alsbaldige Veräußerung an einen Dritten darstelle. Eine eigene unternehmerische Tätigkeit werde von dieser nicht ausgeübt, sodass das Argument, eine Gesellschaft sei gezwungen, Personal einzustellen, um die Ei...