Leitsatz (amtlich)

Zur Verletzung der Aufklärungspflicht (Amtsermittlungspflicht) durch das Grundbuchamt bei der nachträglichen Anlegung eines Grundbuchblattes sowie im Abhilfeverfahren bei der Entscheidung über die Eintragung eines Amtswiderspruchs, betreffend die Buchung der "wahrscheinlichsten" Eigentümer eines durch mehrfache Zerlegung entstandenen neuen Flurstücks - 192 qm Ackerland und 213 qm Wirtschaftsweg - (hier: nicht in Betracht gezogene weitere Aufklärungsmöglichkeiten im Hinblick auf den bei Anlegung des Grundbuchs "wahrscheinlichsten" Eigentümer des ursprünglichen Flurstücks)

 

Normenkette

GBO § 3 Abs. 2-9, §§ 53, 116, 118-119, 122-123

 

Verfahrensgang

AG Ratingen (Aktenzeichen ME-528-19 (16 AR 2/17))

 

Tenor

Die Sache wird unter Aufhebung des Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses des Grundbuchamtes vom 22. Okt. 2018 zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die Anregung zur Eintragung eines Amtswiderspruches unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates an das Grundbuchamt zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Im Jahre 2015 wurde beantragt, für das Grundstück Gemarkung M... Flur 1 Flurstück 96 ein Grundbuchblatt neu anzulegen.

Nach dem Auszug aus dem Liegenschaftskataster hatte das Grundstück eine Fläche von 2.947 qm mit tatsächlicher Nutzung von 190 qm als Ackerland und von 2.757 qm als Wirtschaftsweg.

Aufgrund dieses Antrags erließ das Grundbuchamt ... am 2. Okt. 2015 ein Aufgebot, das es den Eigentümern der anliegenden Grundstücke und dem Land Nordrhein-Westfalen bekanntmachte.

Am 20. Juni 2016 bildete das Katasteramt durch Zerlegung aus dem Flurstück 96 die Flurstücke 1218 (1.135 qm) und 1219 (1.812 qm). Daraufhin wurde der ursprüngliche Antrag auf Neuanlegung des Grundbuchblattes für das Flurstück 96 für das (neue) Flurstück 1219 gestellt.

Hierzu teilte das Grundbuchamt mit Schreiben vom 28. Nov. 2016 mit, bei diesem Grundstück handele es sich um einen Wirtschaftsweg (Traktorenweg), dessen Anlieger die Antragsteller seien, die den Weg auch als Wirtschaftsweg zu ihren Feldern nutzten. Die Stadt ... habe nach Anhörung keine Bedenken, die Antragsteller als Eigentümer einzutragen. Öffentliches Interesse werde nicht geltend gemacht. Da das Grundbuchamt nach Würdigung aller Beweismittel weder den Eigentümer nach

§ 123 Nr. 1 GBO noch den Eigenbesitzer nach § 123 Nr. 2 GBO habe ermitteln können bzw. dieser sein Eigentum nicht glaubhaft gemacht habe, sei diejenige Person als Eigentümer einzutragen, deren Eigentum dem Grundbuchamt am wahrscheinlichsten erscheine. Dies sei nach Würdigung aller Umstände einer der beiden Antragsteller. Dementsprechend legte das Grundbuchamt am 7. April 2017 für das ungebuchte Flurstück 1219 ein neues Grundbuchblatt an, indem es das Flurstück im Grundbuch von M... Blatt 72 unter laufender Nummer 49 buchte.

Das Katasteramt bildete am 13. Nov. 2017 durch Zerlegung aus dem Flurstück 1218 die Flurstücke 1222 (730 qm) und 1223 (405 qm), Letzteres mit tatsächlicher Nutzung von 192 qm als Ackerland und von 213 qm als Wirtschaftsweg.

Am 12. Dez. 2017 beantragte der Beteiligte zu 1, ihn als Eigentümer dieses bislang ungebuchten Flurstücks einzutragen. Er sei Eigentümer der beiderseits anliegenden Grundstücke; der Weg verlaufe heute schon im westlichen Teil über sein Grundstück.

Das Grundbuchamt hat einen Auszug aus dem Liegenschaftskataster, der Flurkarte und ein Anliegerverzeichnis angefordert und den Antrag mit Verfügung vom 19. Jan. 2018 dem Land Nordrhein-Westfalen, der Stadt ..., den Beteiligten zu 4 und in der Stadt ... öffentlich bekanntgemacht.

Nach Durchführung eines Ortstermins und einer Anhörung aller Beteiligten hat es angekündigt, unter Würdigung aller Sachvorträge sei der wahrscheinlichste Eigentümer der Beteiligte zu 1 zu 6.055 / 10.000 Anteil und die Beteiligten zu 2 bis 4 zu je 1.315 / 10.000 Anteil. Der Beteiligte zu 1 nutze 192 qm Ackerland ausschließlich und sei daher insoweit Eigenbesitzer; die verbleibenden 213 qm würden von allen Beteiligten als Weg genutzt, diese seien folglich insoweit zu gleichen Teilen Eigenbesitzer.

Dem hat der Beteiligte zu 1 widersprochen und vorsorglich schon vor einer Grundbucheintragung beantragt, gem. §§ 125, 53 GBO einen Widerspruch einzutragen.

Am 19. Okt. 2018 hat das Grundbuchamt für das Flurstück 1223 im Grundbuch von M... Blatt 1028 neu angelegt und die Beteiligten wie angekündigt als Miteigentümer eingetragen.

Durch weiteren Beschluss vom 22. Okt. 2018 hat es der Beschwerde des Beteiligten zu 1 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Beteiligte zu 1 hat - nach Zugang des Nichtabhilfebeschlusses - erklärt, er halte seine Beschwerde selbstverständlich aufrecht. Er beanstandet "Befremdlichkeiten" in beiden Verfahren zur Neuanlegung der Grundbuchblätter.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakten des vorliegenden Verfahrens und der beigezogenen Grundakten zu Blatt 72 des Grundbuchs von M... Bezug genommen.

II. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Anregung einen Amtswiderspruch einz...

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