Leitsatz (amtlich)
Ist in einem Verfahren, in dem einem Angeklagten mehrere Straftaten zur Last gelegt werden, eine Strafverfolgungsmaßnahme nur im Hinblick auf eine Tat ergriffen worden, die zum Freispruch geführt hat, so ist bei der Entscheidung, ob Entschädigung zu gewähren ist, für Billigkeitserwägungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 StrEG) kein Raum.
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß der Verurteilte für die Untersuchungshaft im Zeitraum 18. Mai bis 12. August 1999 und für die Beschlagnahme seines Führerscheins im Zeitraum 28. April 1999 bis 28. März 2000 aus der Staatskasse zu entschädigen ist.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die im Beschwerdeverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen und die dem Verurteilten erwachsenen notwendigen Auslagen werden zur Hälfte der Staatskasse auferlegt. Die im Beschwerdeverfahren angefallene Gerichtsgebühr, die der Verurteilte zu tragen hat, wird um die Hälfte ermäßigt.
Gründe
Durch - insoweit rechtskräftiges - Urteil vom 28. März 2000 hat die 50. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg gegen den Verurteilten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln eine Geldstrafe von zwanzig Tagessätzen zu je 10, - DM verhängt und ihn vom weiteren Anklagevorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge freigesprochen. Das Landgericht hat ferner festgestellt, daß der Verurteilte für die in dieser Sache erlittene Untersuchungshaft in der Zeit vom 18. Mai bis zum 12. August 1999 aus der Staatskasse zu entschädigen sei und daß eine weitergehende Entschädigung nicht gewährt werde. Mit seiner sofortigen Beschwerde begehrt der Verurteilte die Feststellung einer staatlichen Entschädigungspflicht auch für die im Zeitraum 28. April bis 17. Mai 1999 erlittene Freiheitsentziehung und für die Beschlagnahme seines Führerscheins in der Zeit vom 28. April 1999 bis zum 28. März 2000.
Das Rechtsmittel ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I.
Der Verurteilte ist für die gesamte Dauer der im vorliegenden Verfahren erfolgten Beschlagnahme seines Führerscheins gemäß § 2 Abs. 1 StrEG zu entschädigen.
Die Beschlagnahme eines Führerscheins als der Einziehung unterliegender Gegenstand (§ 94 Abs. 3 StPO) stellt eine "andere Strafverfolgungsmaßnahme" im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG dar, wenn - wie hier - in der Folgezeit keine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 2 StrEG Rn. 7).
Gemäß § 2 Abs. 1 StrEG hat der durch derartige Strafverfolgungsmaßnahmen Geschädigte einen Anspruch aus der Staatskasse, soweit er freigesprochen wird. Dieser Fall ist hier gegeben. Die Beschlagnahme des Führerscheins anläßlich der vorläufigen Festnahme des Verurteilten am 28. April 1999 stand ersichtlich nicht im Zusammenhang mit dem Tatvorwurf des unerlaubten Besitzes an dem in seiner Wohnung aufgefundenen Haschisch, sondern erfolgte ausschließlich im Hinblick auf den seinerzeit bestehenden Verdacht, der Verurteilte könne sein Fahrzeug beim unerlaubten Handeltreiben mit dem an der Raststätte Hünxe sichergestellten Heroin als Mittel zur Tatbegehung eingesetzt haben. Da der Verurteilte von letzterem Tatvorwurf im weiteren Verlauf des Verfahrens freigesprochen wurde, handelte es sich bei der Beschlagnahme mithin nicht um eine "überschießende Strafverfolgungsmaßnahme" im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 StrEG, sondern um einen Anwendungsfall des § 2 Abs. 1 StrEG. Für die vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung angestellten Billigkeitserwägungen ist daher hier kein Raum.
Da der Entschädigungsanspruch im Falle des § 2 Abs. 1 StrEG auch dann besteht, wenn der von einer Beschlagnahme Betroffene es unterlassen hat, der Anordnung sofort zu widersprechen oder alsbald richterliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 S. 2 StPO zu beantragen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, § 2 StrEG Rn. 7 m. w. N. ), spielt es im vorliegenden Fall keine Rolle, daß der Verurteilte erst mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 10. September 1999 die Herausgabe seines Führerscheins verlangt hat.
Ein Ausschluß oder Teilausschluß der Entschädigung gemäß § 5 Abs. 3 StrEG kommt nicht in Betracht. Zwar findet diese Vorschrift auch Anwendung, wenn und soweit der im betreffenden Verfahren Beschuldigte durch die Nichtbeachtung einer ordnungsgemäßen Ladung vor den Richter die Verlängerung bereits angeordneter Strafverfolgungsmaßnahmen verursacht hat (Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, § 5 StrEG Rn. 14). Es trifft ferner auch zu, daß der Verurteilte zum Hauptverhandlungstermin vom 14. Oktober 1999, der unter anderem einer Erörterung der Beschlagnahmefrage dienen sollte, nicht vor Gericht erschienen ist. Diese Säumnis ist indes für die Fortdauer der Beschlagnahme nicht ursächlich geworden, denn die gerichtliche Entscheidung über die Herausgabe des Führerscheins hing nicht vom persönlichen Erscheinen des Verurteilten ab und war unabhängig von der Durch...