Leitsatz (amtlich)
1. Reichen die im Nachlass vorhandene Liquidität und die laufenden Erträge nicht aus, die fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen, kann im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung auch die Veräußerung zum Nachlass gehörender Grundstücke geboten sein, wenn das Gepräge des Gesamtnachlasses sich dadurch nicht wesentlich verändert.
2. Miterben, die an zur Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten erforderlichen Maßnahmen nicht mitwirken, sind zum Ersatz dadurch verursachter Schäden einschließlich der Kosten etwaiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Nachlassgläubiger verpflichtet.
Normenkette
BGB §§ 745, 2038
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 16 O 192/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 8.3.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Erbengemeinschaft nach dem zwischen dem 30.4.2008 und 1.5.2008 verstorbenen U. G., bestehend aus der Klägerin, den Beklagten, dem am 13.8.2002 geborenen G. G. - vertreten durch die Klägerin, Ergänzungspflegerin Rechtsanwältin C. T. - und dem am 16.9.2005 geborenen H. G. - vertreten durch die Klägerin, Ergänzungspflegerin Rechtsanwältin J. L., - den Schaden zu ersetzen, der durch die Fortführung von Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsmaßnahmen des Grundstücks B. Weg 14b nebst zugehöriger Verkehrsfläche in E über den 31.12.2012 hinaus entstanden ist.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 19/20 und die Beklagten zu je 1/40 zu tragen.
4. Dieses und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf eine Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Eine schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht der Miterben an notwendigen Verwaltungsmaßnahmen führt gemäß §§ 2038, 280, 278 BGB zu einem Schadensersatzanspruch (BGH Urteil vom 28.09.2005, IV ZR 82/04, BGHZ 164, 181 juris - Rn. 10). Die Beklagten haben Pflichtverletzungen begangen, denn sie waren als Miterben im Rahmen ihrer sich aus § 2038 I Satz 2 BGB ergebenden Mitwirkungspflicht verpflichtet, den von der Klägerin am 24.01.2012 vollmachtlos in ihrem Namen geschlossenen Kaufvertrag über das Haus B. Weg 14b zu genehmigen und an der von den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft beschlossenen Überweisung von 90.000 EUR aus dem dafür ausreichenden Guthaben auf dem Mietkonto an die Sparkasse W im Dezember 2012 mitzuwirken.
Gemäß § 2038 Abs. 1 BGB steht die Verwaltung des Nachlasses den Erben zwar gemeinschaftlich zu, jedoch ist jeder Miterbe den anderen gegenüber verpflichtet, an Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Verwaltung mitzuwirken. Unter dem Begriff der gemeinschaftlichen Verwaltung fallen Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzungen und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten. Grundsätzlich gehören auch Verfügungen über Nachlassgegenstände zur ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn diese erforderlich sind (BGH, BGHZ 164, 181 mit gewisser Zurückhaltung in Rn. 15 ff - juris; BGH, Urteil vom 18.6.1964, III ZR 244/62; Damrau/Tanck/Rißmann, Praxiskommentar Erbrecht, 3. Auflage, § 2038 Rn. 45). Dabei ist die Ordnungsgemäßheit einer Maßnahme aus objektiver Sicht vom Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers zu bewerten. Die Frage der Erforderlichkeit ist danach zu beantworten, ob ohne den beabsichtigten Verkauf eine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Nachlasswertes zu besorgen gewesen wäre.
Zu einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung gehört es auch, fällige Forderungen aus Darlehen zu bedienen und Rückstände zurückzuführen, zumal die Miterben auch gemäß § 2046 Abs. 1 S. 1 BGB untereinander verlangen können, dass vor einer Auseinandersetzung zunächst die Nachlassgläubiger aus dem Nachlass befriedigt werden. Soweit die im Nachlass vorhandene Liquidität und die laufenden Erträge nicht ausreichen, um Zahlungsrückstände vollständig zu begleichen, kann auch die Veräußerung einzelner Vermögensgegenstände im Rahmen einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung geboten und erforderlich sein. Dazu kann eine Nachlassumstrukturierung gehören, wenn dieses zur Vermeidung von Kosten geboten ist. Ein Beispiel kann der Verkauf von verlustträchtigen Grundstücken sein, so dass der Verkaufserlös an die Stelle von Grundstücken tritt (BGH Urteil vom 28.09.2005, IV ZR 82/04, BGHZ 164, 181 juris - Rn. 23).
Die Beklagten haben ihre Pflichten verletzt, weil es erforderlich war, gegenüber der O. Lebensversicherung die bislang fällig gewordenen Rückstände zu bedienen. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Bestreben der Klägerin, den Zahlungsrückstand auszugleichen, gege...