Leitsatz (amtlich)

Ist die zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens aufgrund der Wahrscheinlichkeit von erheblichen Vorschäden nicht möglich, so hat die Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge.

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 19.02.2016; Aktenzeichen 3 O 47/14)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 19.2.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Kleve wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der durch die Nebenintervention der Beklagten zu 1 verursachten Kosten, werden dem Kläger auferlegt.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers, mit welcher er seine Schadensersatzforderung wegen eines behaupteten unfallbedingten Kraftfahrzeugschadens mit dem Hauptsachebetrag von 7.045,23 EUR gegen die vormaligen Beklagten zu 2. und 3. weiterverfolgt, ist in der Sache unbegründet. Das Berufungsvorbringen, das sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die Indizwirkung der einzelnen Verdachtsmomente, welche das LG für die Feststellung einer Unfallmanipulation aufgeführt hat, in Abrede zu stellen, rechtfertigt keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Dabei kann letztlich dahinstehen, ob nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Tatsachenaufklärung die Unfallmanipulationsbehauptung der vormaligen Beklagten zu 2. und der jetzigen Beklagten zu 1. eine Bestätigung gefunden hat. Danach soll dem Schadensereignis, welches sich am 30.9.2013 um 23.50 Uhr in Weeze auf dem W.-B.-R. zwischen dem klägerischen Pkw Mercedes CLK 320 und dem durch den vormaligen Beklagten zu 3., dem jetzigen Beklagten zu 2., gesteuerten Pkw VW Golf zugetragen habe, ein zwischen den Beteiligten gestelltes Unfallereignis zugrunde liegen. Gewichtige Verdachtsmomente sprechen allerdings für die Richtigkeit dieser Annahme.

Entscheidend ist jedenfalls, dass die erfolgreiche Durchsetzung der Klageforderung an der Vorschadensproblematik im Zusammenhang mit dem klagegegenständlichen Fahrzeug scheitert. Es fehlt an einer schlüssigen Darlegung des Klägers, dass ihm durch die streitige Kollision überhaupt ein ersatzfähiger Fahrzeugschaden entstanden ist. Denn unstreitig war der Pkw Mercedes CLK 320 von zwei Vorschadensereignissen im Jahre 2005 sowie im Jahre 2012 betroffen. Der frühere massive Vorunfall war mit einem Reparaturkostenaufwand von über 10.000 EUR verbunden. In Anbetracht des sieben Jahre später eingetretenen Heckschadens ist bezogen auf die nunmehr ebenfalls streitgegenständliche Heckkollision ein Fall der Schadensüberlagerung gegeben. Der Kläger ist für die Richtigkeit seiner Behauptung darlegungs- und beweisbelastet, die umfänglichen Vorbeeinträchtigungen seines Fahrzeuges seien sach- und fachgerecht behoben worden. Abgesehen davon, dass sein diesbezüglicher Prozessvortrag ohnehin höchst unzureichend ist, haben seine Behauptungen eine ordnungsgemäße Schadensbeseitigung betreffend nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Bestätigung gefunden. Ein Anlass zu einer ergänzenden Sachaufklärung besteht nicht.

Der Senat sieht sich gehindert, von einem Schätzungsermessen gem. § 287 Abs. 1 ZPO Gebrauch zu machen und dem Kläger irgendeinen Reparaturkostenbetrag als ersatzfähigen Mindestschaden zuzusprechen. Dem steht schon entgegen, dass der Kläger in Bezug auf Art und Ausmaß unfallunabhängiger Vorschäden entgegen seiner prozessualen Wahrheitspflicht Falschangaben macht. Darüber hinaus ist es im Hinblick auf seinen völlig unzureichenden Vortrag zu der Vorschadenssituation und deren sach- und fachgerechter Reparatur, welcher nach dem Ergebnis der Tatsachenaufklärung ohnehin widerlegt ist, nicht möglich, irgendeinen ersatzfähigen Fahrzeugschaden zu bestimmen.

Die für die Einholung des Kfz-Schadensgutachtens Werner angefallenen Aufwendungen sind aufgrund der Tatsache nicht ersatzfähig, dass der Kläger die Unbrauchbarkeit des Gutachtens für eine korrekte Schadensermittlung zu vertreten hat. Entgegen seiner Behauptung hat er den Kfz-Schadensgutachter nicht umfassend über die Vorschadenssituation aufgeklärt, so dass dessen in Ansatz gebrachte Reparaturkostensumme keine taugliche Grundlage für die Ermittlung des erstattungsfähigen Fahrzeugschadens ist. Mangels einer begründeten Hauptforderung entfällt die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten freizustellen.

Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

I. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subje...

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