Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit eines mit einem wirtschaftlich abhängigen freien Mitarbeiter vereinbarten Wettbewerbsverbots ohne Karenzentschädigung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anwendung der für kaufmännische Angestellte geltenden Wettbewerbsregelung, hier § 74 Abs. 2 HGB, auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 19.12.2003; Aktenzeichen 3 O 135/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.12.2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass der Kläger sich in § 1 Abs. 1 und 2 der Kundenschutzvereinbarung vom 28.1.2002 verpflichtet hat, für die Dauer von einem Jahr weder mittelbar noch unmittelbar, weder als abhängig Beschäftigter noch als selbständig Tätiger für die Kundin G. GmbH tätig zu werden, und zwar unabhängig davon, ob der beabsichtigte Vertragsschluss zwischen der Beklagten und der G. GmbH tatsächlich zustande kommt, und sich für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlungen zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte bestätigt, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der vorgenannten Kundenschutzvereinbarung noch nicht sicher war, ob der Vertrag mit der G. GmbH tatsächlich zustande kommen würde.

Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagten stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nicht zu, weil die entsprechenden Vorschriften in § 9 Abs. 2 des Rahmenvertrages i.V.m. § 1 des Einzelvertrages und § 1 der Kundenschutzvereinbarung wegen Fehlens einer Karenzentschädigung entsprechend § 74 Abs. 2 HGB unwirksam seien. Die für kaufmännische Angestellte geltende Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB sei wegen des vergleichbaren Schutzbedürfnisses auch auf den Kläger, bei dem es sich um einen wirtschaftlich abhängigen freien Mitarbeiter handele, anzuwenden.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung macht die Beklagte geltend, die Kriterien für eine entsprechende Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB lägen nicht vor. Bei der in Rede stehenden Klausel handele es sich nicht um ein Wettbewerbsverbot, sondern um eine Kundenschutzklausel, bei der sich das Verbot lediglich auf einen beschränkten Zeitraum und einen einzigen Kunden bezogen habe. Deshalb sei die Berufsausübungsfreiheit des Klägers nicht unangemessen beeinträchtigt worden. Die Entscheidung des BGH vom 10.4.2003, auf die das LG sich bezogen habe, betreffe einen anders gelagerten Fall. Der dortige Kläger sei über einen Zeitraum von drei Jahren ausschließlich für die H. AG tätig gewesen und habe betriebsspezifisches Know-how erworben, das sein wesentliches wirtschaftliches Potential ausgemacht habe. Ferner sei der dortige Kläger in die Betriebsorganisation eingebunden gewesen. Demgegenüber sei der Kläger dieses Rechtsstreits nur ein knappes Jahr für die Beklagte tätig gewesen, und seine Tätigkeit habe sich auf ein einziges Projekt bezogen. Der Kläger habe im Übrigen in der Zeit von 1997 bis 2001 vielfältige Kenntnisse im Telekommunikationssektor erlangt, die er auch ohne weiteres in anderen Unternehmen dieser Branche hätte einsetzen können. Zudem habe der Kläger die Kundenschutzklausel gezielt verletzt. Es hätte ihm oblegen, seinen neuen Arbeitgeber über die diesbezügliche Vereinbarung mit ihr, der Beklagten, in Kenntnis zu setzen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des LG Düsseldorf vom 19.12.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie den Kläger zu verurteilen, an sie den widerklagend geltend gemachten Betrag i.H.v. 52.576 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2.576 Euro seit dem 1.2.2003 und im Übrigen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen der Beklagten im Einzelnen entgegen. Insbesondere trägt er vor, er habe im Rahmen der Tätigkeit für die Beklagte branchenspezifische Spezialkenntnisse betreffend das X-System der Firma I. erworben, das lediglich noch von einer Firma J. eingesetzt werde, allerdings auch nur in abgeänderter Form.

Ferner wendet sich der Kläger gegen die Höhe der Vertragsstrafe. Er vertritt die Ansicht, die angesetzte Vertragsstrafe i.H.v. monatlich 10.000 Euro sei sittenwidrig und damit nichtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beid...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge