Leitsatz (amtlich)
Ein Überholverbot entbindet den Linksabbieger nicht von der Pflicht zur doppelten Rückschau.
Normenkette
StVO § 9 Abs. 1 S. 4, Abs. 5
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 2 O 59/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03.05.2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve - 2 O 59/15- unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels und der Berufung des Klägers teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 26.701,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 25.749,35 EUR seit dem 24.01.2015, im Übrigen seit dem 25.11.2015 zu zahlen.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.358,86 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 50 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 50 % zu tragen.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger verlangt als Eigentümer eines Krankentransportwagens Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 01.12.2014 gegen 14:30 Uhr auf der R.straße in Kranenburg-Nütterden ereignet hat.
Der Zeuge H. befuhr in Begleitung des Zeugen L. als Beifahrer mit einem Krankentransportwagen des Klägers die R.straße in Fahrtrichtung Kranenburg, um in der R.straße 5 eine Patientin abzuholen.
Hinter dem Fahrzeug des Klägers fuhr die Beklagte zu 2. mit ihrem bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversicherten Pkw S. F. und der Zeugin H. als Beifahrerin.
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt in dem Bereich 70 km/h. Dort ist ein Überholverbot angeordnet.
Als der Zeuge H. nach links in die Einfahrt des Hauses Nr. 7 fahren wollte, kam es zur Kollision der Fahrzeuge, wobei der rechte Frontbereich des S. gegen die linke Fahrzeugseite des Krankentransportwagens stieß.
Die weiteren Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig.
Der Kläger mietete noch am gleichen Tag ein vergleichbares, klassenkleineres Ersatzfahrzeug (ohne KTW-Innenausstattung) an, mit dem er insgesamt 450 Fahrten durchführte.
Der Reparaturauftrag wurde nach Maßgabe des Gutachtens der D. vom 08.12.2014 (GA 10 ff.) durchgeführt. Die Dauer der Reparatur war im Gutachten mit 16 Arbeitstagen - bzw. aufgrund der bevorstehenden Feiertage 4 - 5 Wochen - kalkuliert (GA 10, 14). Tatsächlich zog sich die Reparatur bis zum 05.02.2015 hin. Der Kläger gab nach Beendigung der Reparatur den Mietwagen zurück.
Mit der Klage verlangt der - nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte - Kläger Ersatz des ihm entstandenen Schadens, den er mit insgesamt 54.992,77 EUR beziffert, und Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.251,48 EUR, berechnet nach einer 1,5 Geschäftsgebühr.
Zum Unfallhergang hat der Kläger behauptet, sein Fahrer sei mit dem Fahrzeug zunächst an dem Haus Nr. 5 vorbeigefahren, um in der Einfahrt zu Nr. 7 zu wenden. Er habe sich rechtzeitig zur Mitte eingeordnet, den Blinker gesetzt und sich durch Schulter- und Spiegelblick vergewissert, durch das Manöver niemanden zu gefährden. Zur Kollision sei es nur deshalb gekommen, weil die Beklagte zu 2. das klägerische Fahrzeug trotz des Überholverbots habe überholen wollen. Die Beklagte zu 2. habe am Unfallort ihre Schuld am Unfallgeschehen eingeräumt und erklärt, das klägerische Fahrzeug zu spät bemerkt zu haben.
In Bezug auf den ihm unfallbedingt entstandenen Schaden hat der Kläger geltend gemacht, er besitze kein Reservefahrzeug und habe daher ein Ersatzfahrzeug anmieten müssen, um keine Stammkunden (Dialysepatienten) zu verlieren und seinen Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten zu können. Aufgrund von Problemen bei der Ersatzteilbeschaffung sei es zu einer Verzögerung der Reparatur gekommen.
Die Beklagten haben demgegenüber zum Unfallhergang im Wesentlichen eingewandt, es liege kein Fall des unzulässigen Überholens vor. Hierzu haben sie behauptet, das klägerische Fahrzeug sei nach Verringerung der Geschwindigkeit zunächst an den rechten Fahrbahnrand gefahren, teilweise sogar mit den rechten Reifen auf dem Grünstreifen. Die Beklagte zu 2., die nach ihren Angaben im Termin zu diesem Zeitpunkt etwa 60 - 65 km/h gefahren ist -, habe daher davon ausgehen können, der Fahrer habe dort anhalten wollen. Als die Beklagte zu 2. an dem anhaltenden Fahrzeug habe vorbeifahren wollen, sei dieses plötzlich nach links gezogen worden. Da die Beklagte zu 2. erkannt habe, dass sie eine Kollision nicht (allein) durch Bremsen verhindern können, habe sie ihr Fahrzeug nach links gerissen.
Die Beklagten haben zur Schadenshöhe im Wesentlichen geltend gemacht, die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges sei nicht berechtigt gewesen, weil die Höhe der Mietwagen...