Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 3 O 263/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Wuppertal vom 10. Mai 2017 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. pp...
II. Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat beim Abbiegen in ein Grundstück den strengen Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO nicht genügt und nachweisbar die Verpflichtung zur doppelten Rückschau nicht beachtet. Dies steht aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens fest, während ein Verschulden des Beklagten zu 1. an der Unfallentstehung nicht nachweisbar ist. Angesichts dessen - und des Umstandes, dass gegen die Klägerin bereits ein Anscheinsbeweis spricht - muss diese selbst für ihren Schaden einstehen.
1. Grundsätzlich haften die Beklagten allerdings nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG für die Schäden, die bei dem Betrieb des von ihnen geführten, gehaltenen und versicherten Motorrades entstanden sind. Da auch die Klägerin an dem Unfall mit ihrem Kraftfahrzeug beteiligt und der Unfall für keinen der Beteiligten ein unabwendbares Ereignis war, sind die jeweiligen Verursachungsbeiträge der Beteiligten gemäß §§ 17, 18 Abs. 3 StVG gegeneinander abzuwägen. Bei dieser Abwägung kommt es insbesondere darauf an, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. In jedem Fall sind in ihrem Rahmen unstreitige bzw. zugestandene oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen (vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94 -, juris; Senat, Urteil vom 08.10.2011, Az.: I-1 U 17/11). Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er die nach der Abwägung für sich günstigen Rechtsfolgen herleiten will (BGH, Urteile vom 15. November 1960 - VI ZR 30/60 - VersR 1961, 249, 250; vom 8. Januar 1963 - VI ZR 35/62 - VersR 1963, 285, 286; vom 23. November 1965 aaO S. 165; vom 29. November 1977 - VI ZR 51/76 - VersR 1978, 183, 185).
a. Auf dieser Grundlage ist ein die Betriebsgefahr erhöhendes Verschulden des Beklagten zu 1. an der Unfallentstehung nicht bewiesen. Diesem kann weder ein Verstoß gegen die Verpflichtung, an einem linksabbiegenden Verkehrsteilnehmer rechtsseitig vorbeizufahren (§ 5 Abs. 7 S. 1 StVO), ein Überholen bei unklarer Verkehrslage entgegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO noch ein Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit oder eine verspätete Reaktion vorgeworfen werden.
aa. Der Beklagte zu 1. hätte nicht rechtsseitig an dem klägerischen Fahrzeug hätte vorbeifahren müssen, § 5 Abs. 7 Satz 1 StVO. Auf der Grundlage des vom Landgericht festgestellten Sachverhalts ist nicht feststellbar, dass die Klägerin frühzeitig ihre Abbiegeabsicht nach links auf das Grundstück hätte zu erkennen gegeben, indem sie sich mittig eingeordnet und den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hätte. Denn das Landgericht hat das Ergebnis der diesbezüglichen Anhörung der Klägerin sowie der Zeugen S. als nicht glaubhafter beurteilt als die Angaben des Beklagten zu 1. anlässlich dessen Anhörung. Das Landgericht hat nachvollziehbar darauf abgestellt, dass der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin S. entgegenstehe, dass ihre Aussage teilweise wörtlich mit der Angaben der Klägerin übereinstimme. Darüber hinaus sei erstaunlich, dass sich die Zeugin S. einerseits genau erinnern könne, dass die Klägerin frühzeitig links geblinkt habe, sie sich aber andererseits nicht habe erinnern können, ob rechtsseitig noch freie Parkplätze vorhanden gewesen seien. Das Gutachten des Sachverständigen N. zur Unfallrekonstruktion gebe über den Unfallablauf keine hinreichende Gewissheit. Technisch darstellbar sei insoweit sowohl, dass die Klägerin aus einer Position der Straßenmitte nach links abgebogen sei, wie auch, dass sie vom rechten Fahrbahnrand aus den Linksabbiegevorgang begonnen habe. Die relative Anstoßgeschwindigkeit des Motorrades an die Fahrertür des Klägerfahrzeugs, die einen Geschwindigkeitsrahmen zwischen 20-35 km/h zulasse, lasse beide Sachverhaltsvarianten als möglich erscheinen. Da diese Beweiswürdigung des Landgerichts keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der festgestellten Tatsachen erkennen lässt, ist der Senat an diese gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden.
Dann aber steht nicht nach dem Beweismaßstab des § 286 Abs. 1 ZPO mit der erforderlichen Überzeugung fest, dass der Beklagte zu 1. aufgrund der mittigen Einordnung und des eingeschalteten linken Fahrzeugrichtungsanzeigers an der rechten Seite des Klägerfahrzeugs hätte vorbeifahren müssen.
bb. Ein unklare Verkehrslage gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, die den Überholvorgang des Beklagten zu 1. unzulässig gemacht hätte, ist gleichfalls nicht feststellbar. Eine unklare Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO ist dann gegeben, wenn ...