Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpflichtung des Netzbetreibers nach § 22 Abs. 2 Satz 5 NAV, einer Verlegung der Messeinrichtung bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen zuzustimmen, beschränkt sich nicht auf die Zustimmung zur bloßen "Wegverlegung" vom ursprünglich vorgesehenen Ort. Vielmehr räumt § 22 Abs. 2 Satz 5 NAV dem Anschlussnehmer die Möglichkeit ein, zugleich einen konkreten Alternativort zu verlangen.
2. Ein dezentrales Messkonzept, bei dem der Stromzähler als Zweirichtungszähler unmittelbar in der Erzeugungsanlage eines Blockheizkraftwerks angebracht wird, verstößt nicht gegen die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik, insbesondere nicht gegen die im August 2011 herausgegebenen Anwendungsregeln VDE-AR-N 4101 und VDE-AR 4105.
3. Der Netzbetreiber kann sich bei seiner Ablehnung eines sog. dezentralen Messkonzepts nach § 20 Satz 1 NAV nur insoweit auf seine Technischen Anschlussbedingungen berufen, als diese aus Gründen der sicheren und störungsfreien Versorgung, insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse des Verteilernetzes, notwendig sind. Dies ist bei Mess- und Steuereinrichtungen wegen der insoweit spezielleren Regelung des § 22 Abs. 2 Satz 5 NAV nur dann der Fall, wenn das konkrete Anschlussverlangen die Beeinträchtigung einer einwandfreien Messung erwarten lässt.
Normenkette
EnWG § 1 Abs. 1; EnwG § 18 Abs. 1; EnWG § 18 Abs. 3, § 31; EnwG § 32 Abs. 1 S. 3; EnWG § 49 Abs. 2 Nr. 1; NAV § 20 Sätze 1-2, § 22 Abs. 2 S. 5
Verfahrensgang
Beschlusskammer (Beschluss vom 19.03.2012; Aktenzeichen BK6-11-113) |
Tenor
Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der Beschlusskammer 6 vom 19.3.2012 - BK6-11-113 - wird zurückgewiesen.
Die Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur und der Antragstellerinnen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Betroffene wendet sich gegen einen Beschluss, durch den sie verpflichtet wird, die Installation dezentraler Messeinrichtungen in einer von der Antragstellerin zu 1. vertriebenen Kraft-Wärme-Koppelungsanlage sowie in vergleichbaren Fällen zuzulassen.
Die Antragstellerin zu 1., eine Tochtergesellschaft der Antragstellerin zu 2., ist ein Energieversorgungsunternehmen, das auf den Grundstücken seiner Kunden im Rahmen eines Wärmelieferungsvertrags Blockheizkraftwerke (sog. "Zuhause-Kraftwerke") mit einer elektrischen Leistung von 20 kW installiert und betreibt. Dabei bleibt die Anlage im Besitz der Antragstellerin zu 1., die den Heizraum vom Kunden anmietet. Während die im Zuhause-Kraftwerk erzeugte Wärme unmittelbar an den Kunden zum direkten Verbrauch verkauft und geliefert wird, wird der zeitgleich erzeugte Strom vollständig in das jeweilige örtliche Niederspannungsnetz der allgemeinen Versorgung eingespeist und bilanziell in den Bilanzkreis der Antragstellerin zu 2. geliefert. Diese vermarktet den Strom anschließend für eigene Zwecke weiter. Der Kunde erhält einen anteiligen finanziellen Bonus für den erzeugten Strom.
Der Kunde erteilt der Antragstellerin zu 1. eine Vollmacht, in der es u.a. heißt:
"... Die Vollmacht erstreckt sich ferner auf die Abgabe notwendiger Erklärungen gegenüber Behörden ... und Netzbetreibern (z.B. für betriebsnotwendige Änderungen am Strom- und/oder Gasnetzanschluss).
Darüber hinaus erteile(n) ich/wir als Eigentümer die Einwilligung in betriebsnotwendige Um- und Einbauten an der Gebäudesubstanz sowie kundenseitiger Versorgungsleitungen, welche ausschließlich zum Zwecke der Vertragserfüllung getätigt werden."
Für jedes Zuhause-Kraftwerk wird ein eigener, in der Regel neuer Netzanschluss geschaffen. Das Installationskonzept der Antragstellerinnen sieht hierzu vor, dass innerhalb des Gehäuses des Zuhause-Kraftwerks ein elektronischer Zweirichtungszähler installiert wird, der sowohl den für den Betrieb erforderlichen Eigenbedarfsstrom des Zuhause-Kraftwerks wie auch den vom Zuhause-Kraftwerk produzierten Strom erfasst. Für diesen Zähler tritt die Antragstellerin zu 2. in der Rolle des Messstellenbetreibers und Messdienstleisters auf. Der Zweirichtungszähler wird durch die Antragstellerin zu 2. per Datenfernübertragung regelmäßig ausgelesen. Hierfür wird eine im Zuhause-Kraftwerk untergebrachte Kommunikationsschnittstelle verwendet, die zum Zweck einer zentralen Anlagensteuerung dort ohnehin vorhanden ist. Der Anschluss des Zuhause-Kraftwerks an das öffentliche Stromverteilernetz erfolgt über einen separat von den Antragstellerinnen zu errichtenden, abschließbaren und mit der häuslichen Hauptstromverteilung verbundenen Schaltschrank, von dem eine sich nicht verzweigende Stromleitung zum Zuhause-Kraftwerk führt. In diesem Anschlussschaltschrank ist ein Einbauplatz für einen Zähler vorgesehen, der - aufgrund der von den Antragstellerinnen vorgesehenen dezentralen Anordnung des Zweirichtungszählers innerhalb des Zuhause-Kraftwerks - aber nicht genutzt werden soll.
Mit Schreiben vom 31.3.2010 kündigte eine der be...