Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz nach Kfz-Unfall: Erstattung von Gutachterkosten bei Verschweigen von Vorschäden

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Ersatzpflicht hinsichtlich der Gebühren eines zur Ermittlung der Reparaturkosten eingeholten Gutachtens ist ausgeschlossen, wenn der Geschädigte gegenüber dem von ihm beauftragten Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und dieser deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt. (Rn. 4)

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilammer - Einzelrichter - des Landgerichts Duisburg vom 4.8.2022 (11 O 14/21) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,

1.) an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.924,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2020 (Beklagte zu 3.)) bzw. seit dem 5.1.2021 (Beklagte zu 1.) und Beklagter zu 2.)) zu zahlen sowie

2.) die Klägerin von der Forderung der Rechtsanwälte ... in Höhe von 571,44 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 27 % und die Beklagten zu 73 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der von ihr geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von 1.237,84 EUR, da sie den Gutachter nicht auf Vorschäden an der linken vorderen Seite ihres Fahrzeugs hingewiesen und dadurch die Untauglichkeit des von ihr beauftragten Gutachtens herbeigeführt hat. Bei den Gutachtenkosten handelte es sich folglich nicht um für die Geltendmachung des Schadensersatzes erforderliche und zweckmäßige Aufwendungen, deren Ersatz die Klägerin gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen könnte. Dementsprechend belaufen sich die zu ersetzenden außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten lediglich auf 571,44 EUR.

Im Einzelnen:

1.) Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.2.2017 - VI ZR 76/16, NJW 2017, 1875, beck-online). Regelmäßig sind die Gutachterkosten auch dann erstattungsfähig, wenn sich das Gutachten objektiv als ungeeignet herausstellt, insbesondere als unbrauchbar; eine Zurechnung von Fehlern des Sachverständigen zum Geschädigten nach § 278 BGB scheidet aus (vgl. Geigel Haftpflichtprozess/Katzenstein, 28. Aufl. 2020, Kap. 3 Rn. 250 m.w.N.). Eine Ersatzpflicht hinsichtlich der Gebühren eines zur Ermittlung der Reparaturkosten eingeholten Gutachtens ist aber ausgeschlossen, wenn der Geschädigte gegenüber dem von ihm beauftragten Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und dieser deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt (Senat, Beschluss vom 10. 7. 2012 - 1 W 19/12, r + s 2013, 46, beck-online; Karl-Hermann Zeh, in: Wussow, UnfallhaftpflichtR, 17. Auflage 2021, § 14 Sachschaden Rn. 167; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 398 m.w.N.).

2.) Die Klägerin hat dem Sachverständigen erhebliche, zur Untauglichkeit des Gutachtens führende Vorschäden verschwiegen.

a) Die Untauglichkeit des Gutachtens der Firma ... zur Abrechnung ergibt sich daraus, dass die Reparaturkosten in Unkenntnis der Existenz von Vorschäden (LG, Bl. 15) ermittelt worden sind und daher auch Kosten für die Instandsetzung des nicht unfallbedingten Schadens enthalten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich feststellen, dass der M. der Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht reparierte Vorschäden im vorderen Bereich des linken vorderen Kotflügels und an der linken Seite des vorderen Stoßfängers aufwies. Diese Schäden sind dem Unfallereignis nach den Feststellungen des Sachverständigen T. nicht zuzuordnen.

Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten auf S. 30 (LG, Bl. 370) formuliert, dass die vorbenannten, auf Bild 24 seines Gutachtens erkennbaren "Schäden im linken Seitenbereich des vorderen Stoßfängers und im vorderen Bereich des linken vorderen Kotflügels des Klägerfahrzeuges nicht abschließend kompatibel mit dem Anstoß des Beklagtenfahrzeuges" seien, besteht auf Grund der in diesem Zusammenhang erfolgten Ausführungen des Sachverständigen kein Zweifel daran, dass diese Schäden aus technischer Sicht nicht dem Unfall zugeordnet werden können.

aa) Der Sachverständige setzt sich mit drei Bereichen des LKW auseinander, die auf Grund der Höhenlage grundsätzlich geeignet wären, die schadhaften Spuren an dem Pkw der Klägerin zu zeichnen, namentlich (1) Unterfahrschutz/Schlussleuchtenhalter, (2) Kotflügel und (3) Hinterrad des LKW.

(1) Zu dem Komplex "Unterfahrschutz/Schlussleuchtenhalter" weist de...

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