Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsunfall mit Personenschaden: Bemessung eines Schmerzensgeldes; Verletzung der Obliegenheit zur Schadensgeringhaltung bei einer Anpassungsstörung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bemessung der Höhe eines dem Verletzten zustehenden Schmerzensgeldes sind die Schwere der erlittenen Verletzungen, das hierdurch bedingte Leiden, dessen Dauer, die subjektive Wahrnehmung der Beeinträchtigungen für den Verletzten und das Ausmaß des Verschuldens des Schädigers maßgeblich (BGH, 12. Mai 1998, VI ZR 182/97). (Rn. 52)
2. Grundsätzlich haftet ein Schädiger für alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Geschädigte durch die Schädigungshandlung erlitten hat, und zwar unabhängig davon, ob es sich um körperliche oder psychisch bedingte Folgewirkungen handelt (OLG Düsseldorf, 25. November 2014, I-1 U 211/13). (Rn. 74)
2. Kommt es durch den Unfall zu einer schweren Anpassungsstörung, so muss sich der Geschädigte deutlich anspruchsmindernd entgegenhalten lassen, dass er seiner Obliegenheit zur Schadensgeringhaltung im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB nicht nachgekommen ist, wenn er keine ernsthaften Therapieversuche unternommen und damit nicht alles Zumutbare getan hat, um seiner Anpassungsstörung "Herr" zu werden. (Rn. 79)
Normenkette
BGB § 254 Abs. 2; StVG § 11 S. 2; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 10.04.2017; Aktenzeichen 3 O 170/12) |
Tenor
Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das am 10. April 2017 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - Einzelrichter - werden kostenpflichtig zurückgewiesen.
Das Berufungsurteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus einem Verkehrsunfall, der sich am 5. August 2011 ... ereignete.
Die im Unfallzeitpunkt 24-jährige Klägerin beabsichtigte, als Fußgängerin die K.-Straße zu überqueren. Hierbei wurde sie von einem Mercedes, der von dem Beklagten zu 2) geführt und gehalten wurde und der bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert war, bei dessen Abbiegevorgang ... erfasst. Die Klägerin stürzte zu Boden. Durch den Unfall erlitt die Klägerin eine Prellung des linken Mittelfußes und eine Schürfverletzung am Ellenbogen.
Die Beklagte zu 1) zahlte an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 400,00 EUR.
Die Klägerin hat behauptet, der Mercedes habe sie mit der Beifahrerseite erfasst und sie zwei Meter weit mitgeschleift. Anschließend sei das Fahrzeug mit einem Vorderrad über ihren rechten Fuß und mit einem Hinterrad über ihren linken Fuß gefahren. Sie sei durch die Kollision auf die Straße geprallt und mit dem Rücken aufgekommen. Kurzzeitig habe sie das Bewusstsein verloren und multiple Prellungen nicht nur im Bereich des linken Fußes sondern auch der rechten Schulter, im Bereich der Hüfte und der Hand sowie des Knies erlitten. Zudem sei es zu einer Blockierung der Brust- und Halswirbelsäule gekommen. Sie habe weiterhin Schmerzen an den betroffenen Stellen. Durch den Unfall sei es ferner zu einer schwerwiegenden Anpassungsstörung mit einer ängstlich-depressiven Folgesymptomatik gekommen. In Folge dessen habe sie eine erhebliche Leistungseinbuße in sämtlichen Lebensbereichen erfahren. Insbesondere würden sich kognitive Defizite wie eine erhöhte Stressanfälligkeit und vermindertes Konzentrationsvermögen nachteilig auf ihre Studienleistung auswirken. Deshalb habe sie ihr Jurastudium bislang nicht abschließen können. Eine geplante Pilotenausbildung habe sie aufgrund ihrer Beschwerden ebenfalls nicht realisieren können.
Aufgrund dessen sei die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens weiteren 30.000,00 EUR gerechtfertigt.
Die Klägerin hat weiter behauptet, ihr seien Heilbehandlungs- und Hilfsmittelkosten, Taxikosten und Mobilfunkkosten für die Vereinbarung von Terminen mit Ärzten, Therapeuten und der Polizei von insgesamt 565,77 EUR entstanden. Ferner seien durch den Unfall die von ihr getragene Kleidung bestehend aus Jacke, T-Shirt, Hose und Schuhen wie auch ein Mobiltelefon, eine neuwertige Sonnenbrille, eine Umhängetasche, eine Armbanduhr, ein Ring, mitgeführte Fußballschuhe und eine Festplatte nebst Gehäuse beschädigt worden. Zudem sei ein Ohrring sturzbedingt nicht mehr verschließbar. Der Wiederbeschaffungsaufwand betrage insgesamt 1.579,80 EUR.
Unfallbedingt habe sie darüber hinaus einen Verdienstausfall in Höhe von 3.885,00 EUR erlitten. Dieser resultiere daraus, dass sie für zwei Modemessen als Organisationskraft in der Zeit vom 8. August 2011 bis zum 4. September 2011 gebucht gewesen sei, jedoch die Aufträge wegen ihres Gesundheitszustandes nicht habe ausführen können.
Die Klägerin hat zunächst die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 4.000,00 EUR begehrt und nach einer Klageerhöhung hinsichtlich des Schmerzensgeldes beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 4.647,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
die Beklagte...