Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 4 O 324/19)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 9. Juli 2020 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit verschiedener Beitragserhöhungen in dem zwischen ihnen bis zum 31. Dezember 2016 bestehenden Krankenversicherungsvertrag. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Annahme einer Verjährung der von ihr geltend gemachten Ansprüche seitens des Landgerichts. Dieses habe mehrere Anlagen zu Schriftsätzen der Beklagten verfahrensfehlerhaft nicht an sie weiter geleitet und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt, so dass sie hierzu rechtliches Gehör nicht gehabt habe. Das sei verfahrensfehlerhaft. Eine durch die von ihr eingeleitete Ombudsmannbeschwerde erreichte Hemmung habe es ebenfalls nicht berücksichtigt. Der Beginn der Verjährungsfrist sei davon abhängig, dass die Klägerin die tatsächlichen Umstände kannte oder grob fahrlässig nicht kannte, aus denen sich die materielle Unwirksamkeit der Prämienanpassung ergeben habe. Diese Kenntnis habe ihr gefehlt. Zumindest die Verjährung der Rückzahlungsansprüche aus dem Jahr 2016 sei durch den Mahnbescheid gehemmt worden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Anspruch hinreichend individualisiert.

Sie beantragt sinngemäß,

I. das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,

II. hilfsweise abändernd

1. an sie 13.311,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2018 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte

a) ihr zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie vor dem 26. Juli 2018 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den sie auf die Erhöhungen

aa) im Tarif VCH2P zum 1. Januar 2008 um 33,71 EUR, zum 1. Januar 2010 um 48,60 EUR, zum 1. Januar 2011 um 32,55 EUR, zum 1. Januar 2012 um 19,02 EUR und zum 1. Januar 2016 um 41,69 EUR,

bb) des gesetzlichen Beitragszuschlags im Tarif VCH2P zum 1. Januar 2008 um 3,37 EUR, zum 1. Januar 2010 um 4,86 EUR, zum 1. Januar 2011 um 3.18 EUR zum 1. Januar 2012 um 1,90 EUR und zum 1. Januar 2016 um 4,12 EUR,

cc) im Tarif KT 42 zum 1. Januar 2008 um 1,80 EUR und zum 1. Januar 2010 um 2,91 EUR

gezahlt hat,

b) die nach 2 a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2018 zu verzinsen hat,

3. Die Beklagte zu verurteilen, sie - die Klägerin - von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsosten und Auslagen in Höhe von 1.195,83 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

1. Es kann dahinstehen, ob das Landgericht die von der Beklagten eingereichten Anlagen verfahrensfehlerhaft berücksichtigt und das Vorbringen der Klägerin zur Ombudsmannbeschwerde verfahrensfehlerhaft übergangen hat. Denn der Rechtsstreit ist entscheidungsreif.

Etwa in Betracht kommende Rückforderungsansprüche der Klägerin wegen der bis zum Ende des Jahres 2016 geleisteten Mehrprämien sind gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt.

a) Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 18. März 2020 die Einrede der Verjährung erhoben (I Bl. 50 GA). Der allfällige Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung war mit der jeweiligen monatlichen Prämienzahlung entstanden. Sie hatte mit Erhalt der jeweiligen Anpassungsschreiben zu den Erhöhungen (II Bl. 243 - 283 GA) Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen.

Für den bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch gilt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, deren Beginn sich nach § 199 Abs. 1 BGB bzw. § 199 Abs. 3 BGB richtet. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

aa) Für die Entstehung des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist auf die jeweilige monatliche Prämienzahlung abzustellen, weil frühestens mit der jeweiligen monatlichen Zahlung der vermeintlich überhöhten Prämie der Rückforderungsanspruch fällig wird und entsteht. Die Rückzahlungsforderung ist daher jeweils frühestens mit der Zahlung der vermeintlich überhöhten Prämie fällig geworden, also entstanden (OLG Köln, Urteil vom 22. September 2020 - I-9 U 130/19 -, juris, m.w.N.).

Die Verjährung beginnt zu dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Versicherungsnehmer die Mitteilung über die Beitragserhöhung zugegangen ist. Der Gesetzgeber hat nicht ähnl...

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