Leitsatz (amtlich)
1. Die regelmäßige Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen durch den Schuldner, aufgrund derer das Finanzamt vollstreckbare Steuerbescheide erlässt, hat kein mit der sich anschließenden Vollstreckungstätigkeit des Finanzamts zumindest gleichwertiges Gewicht, das zur Annahme einer Rechtshandlung der Schuldnerin i.S. der §§ 133 Abs. 1, 129 Abs. 1 InsO führt. Der Schuldner kommt damit lediglich seiner sich aus § 18 Abs. 1, Abs. 2 UStG ergebenden gesetzlichen Pflicht nach.
2. Die sich daran anschließende Nichtzahlung der Steuerverbindlichkeiten bei Fälligkeit erfüllt nicht die Anforderungen an ein anfechtungsrechtlich relevantes Unterlassen i.S. der §§ 133 Abs. 1, 129 Abs. 2 InsO.
3. Ebenso wenig stellt das sich anschließende Geschehenlassen der Vollstreckung ein anfechtungsrechtlich relevantes Fördern einer Vermögensverlagerung auf das Finanzamt durch den Schuldner dar, weil der Einzug von Steuerforderungen die im Falle der Nichtzahlung vorgesehene staatliche Zwangsmaßnahme ist.
Normenkette
InsO § 129 Abs. 1-2, § 133 Abs. 1; UStG § 18
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 10 O 151/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 29.03.2019 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (10 O 151/18) - Einzelrichterin - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Die Parteien streiten über Ansprüche aus Insolvenzanfechtung.
Der Kläger ist Verwalter in dem am 09.02.2017 auf einen Antrag vom 23.08.2016 über das Vermögen der T. GmbH (nachfolgend "Schuldnerin") eröffneten Insolvenzverfahren. Geschäftsführer der Schuldnerin war seit ihrer Gründung im Jahr 2014 M. U.
Von Mai bis Dezember 2014 leistete die Schuldnerin monatlich (Teil-) Zahlungen auf ihre Steuerverbindlichkeiten an das beklagte Land, vertreten durch das im Rubrum bezeichnete Finanzamt (im Folgenden: Finanzamt), mit Ausnahme der Monate Juni, Juli und Oktober, in denen Zahlungen durch die Commerzbank AG aufgrund von Pfändungsmaßnahmen betreffend das dort geführte einzige Geschäftskonto der Schuldnerin erfolgten, die jeweils zur vollständigen Erledigung der Pfändungsmaßnahme führten. Seit Januar 2015 erbrachte die Schuldnerin, die wie schon vor den Pfändungsmaßnahmen weiterhin regelmäßig ihre Umsatzsteuervoranmeldungen einreichte (Anlage K 13), trotz Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen keine Zahlungen mehr auf ihre fälligen Steuerverbindlichkeiten. Im Zeitraum 11.02.2015 bis 06.04.2016 kam es nach weiteren zehn Pfändungs- und Einziehungsverfügungen betreffend das Geschäftskonto seit dem 29.01.2015 jeweils wenige Tage nach Zustellung zu zehn, die jeweilige Pfändungsmaßnahme erledigenden Auszahlungen der Commerzbank AG an das Finanzamt in Höhe von insgesamt 86.600,29 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung auf Seite 5 der Klageschrift sowie die Kontoauszüge (Anlage K 5) Bezug genommen. Die Rückgewähr des Gesamtbetrages zzgl. Zinsen begehrt der Kläger unter Berufung auf §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1, 129 Abs. 1 InsO a.F.
Der Kläger hat behauptet, die Zahlungen durch die Commerzbank AG hätten auf Rechtshandlungen der Schuldnerin beruht. Spätestens ab der (dritten streitgegenständlichen) Pfändungsmaßnahme vom 16.07.2015 habe eine konkludente Einigung zwischen ihr und dem Finanzamt vorgelegen, dass die Steuerverbindlichkeiten per Pfändungs- und Einziehungsverfügung gezahlt würden und es nicht zur Stellung eines Insolvenzantrags kommen werde, soweit sie für eine rechtzeitige Kontodeckung sorge. Darüber hinaus habe die Schuldnerin nach der Pfändung vom 03.02.2016 am 10.02.2016 ihr Konto aufgefüllt und Lastschriften zurückgegeben, um die Zahlung vom 11.02.2016 zu ermöglichen (Anlage K 10). Ferner habe sie durch die Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen die jeweilige Steuerforderung anerkannt und eine beschleunigte Vollstreckung gefördert. Die Schuldnerin sei jedenfalls seit dem 01.01.2015 durchgehend zahlungsunfähig gewesen, was dem Finanzamt seit dem 11.02.2015 aufgrund ihres Zahlungsverhaltens bekannt gewesen sei. Die Zahlungen seien ab diesem Zeitpunkt mit einem vom Finanzamt erkannten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen worden.
Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, es fehle an anfechtbaren Rechtshandlungen der Schuldnerin. Ferner seien die Pfändungsmaßnahmen nicht auf Zahlungsunfähigkeit, sondern auf Zahlungsunwilligkeit der Schuldnerin zurückzuführen, da - unstreitig - bis zur Insolvenzeröffnung die jeweiligen Steuerrückstände stets infolge der pfändungsbedingten Einziehungen kurzfristig ausgeglichen worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Str...