Entscheidungsstichwort (Thema)

Akteneinsichtsrecht bei Bewerbung um Konzession - Stromverteilnetz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bewerber um eine Konzession werden unbillig behindert, wenn deren Chancen auf den Abschluss eines Konzessionsvertrags dadurch beeinträchtigt werden, dass die Auswahlentscheidung die an sie zu stellenden verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen nicht erfüllt.(Rn. 26)

2. Zu den an die Auswahlentscheidung zu stellenden verfahrensbezogenen Anforderungen gehört das Akteneinsichtsrecht gem. § 47 Abs. 3 S. 1 EnWG. Es besteht ein weitgehend voraussetzungsloses Akteneinsichtsrecht zum Zweck der Überprüfung der gemeindlichen Auswahlentscheidung. Insoweit darf durch den unterlegenen Bieter "Ausforschung" betrieben werden.(Rn. 27)

3. Möchte eine Gemeinde in einer Kopie des Auswertungsvermerks Schwärzungen vornehmen, muss sie deren Notwendigkeit zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen jeweils für die konkrete Angabe substantiiert darlegen und ausführen, welche schützenswerten Interessen des betreffenden Bieters in welchem Umfang eine Beschränkung der Auskunft erfordern (Festhaltung OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. November 2020 - I-27 U 3/20).(Rn. 36)

 

Normenkette

BWG § 18 Abs. 1; EnWG § 4 Abs. 1 S. 2, § 46 Abs. 1 S. 1, § 47 Abs. 3 S. 1; GWB § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 33 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Entscheidung vom 18.03.2021)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 18. März 2021 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln ... abgeändert und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, aufgrund des Beschlusses des Stadtrates ... einen Wegenutzungsvertrag über den Betrieb des Stromverteilnetzes der allgemeinen Versorgung für das Stadtgebiet der Antragsgegnerin ("Stromkonzessionsvertrag") mit der ...

Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin werden der Antragsgegnerin auferlegt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin machte am ... über den Bundesanzeiger das Auslaufen des Stromkonzessionsvertrages für ihr Stadtgebiet mit der ... zum ... bekannt und forderte qualifizierte Unternehmen zur Interessenbekundung auf. Neben der Streithelferin bekundete auch die Antragstellerin, die sich in der Rechtsnachfolge der derzeitige Konzessionsinhaberin sieht, ihr Interesse. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2018 übersandte die Antragsgegnerin der Antragstellerin den Verfahrensleitbrief mit dem Rohentwurf eines Konzessionsvertrages sowie den Bewertungskriterien und forderte sie zur Angabe eines indikativen Angebots bis zum 31. Januar 2019 auf, dessen Bestandteil der vervollständigte Entwurf des Konzessionsvertrages sein sollte. Die Antragstellerin und die Streithelferin gaben Angebote ab.

Mit am 16. April 2020 zugegangenem Schreiben vom 9. April 2020 unterrichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin, dass aufgrund des Stadtratsbeschlusses vom ... 2020 die Streithelferin den Zuschlag erhalten solle, da deren Angebot ... von ... möglichen Punkten erreicht habe, das der Antragstellerin hingegen nur ... Punkte. Mit Schreiben vom 20. April 2020 beantragte die Antragstellerin Akteneinsicht, woraufhin sie am 9. Juni 2020 die teilgeschwärzte Auswertung Anlage ASt 6 erhielt.

Mit Schreiben vom 8. Juli 2020 rügte die Antragstellerin die Akteneinsicht als aufgrund der Schwärzung wesentlicher Teile nicht gewährt, die über das hinausgingen, was zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geboten sei. Zudem sei der Vergabevermerk als "Entwurf" gekennzeichnet und berücksichtige die im Zuge ihres verbindlichen Angebots erfolgten Änderungen nicht. Der Streithelferin fehle aber auch der für eine Vergabe erforderliche Eignungsnachweis der zuständigen Landesbehörde. Der Auswertung sei nichts zu deren personeller und technischer Leistungsfähigkeit zu entnehmen. Auch von daher sei die Gleichbewertung bei einer Vielzahl von Kriterien nicht nachvollziehbar.

Nach Zurückweisung dieser Rügen mit am 18. Dezember 2020 zugestelltem Schreiben vom 9. Dezember 2020 hat die Antragstellerin am 30. Dezember 2020 den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht, zu dessen Begründung sie die vorstehenden Rügen wiederholt und vertieft hat. Eine ermessensfehlerfreie Begründung für die umfangreichen Schwärzungen sei nicht ersichtlich. Der Streithelferin fehle aber auch der geforderte Eignungsnachweis nach § 4 EnWG. Zudem sei die Bewertung der Angebote intransparent und fehlerhaft.

Die Antragstellerin hat beantragt,

der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, aufgrund des Beschlusses des Stadtrats vom 25. März 2020 einen Wegenutzungsvertrag über den Betrieb des Stromverteilernetzes der Allgemeinversorgung für das Stadtgebiet der Antragsgegnerin ("Stromkonzessionsvertrag") mit der ... abzuschließen.

Die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin haben beantragt,

den Antrag ...

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