Leitsatz (amtlich)
1. Erwirbt ein Mitglied der Erbengemeinschaft in der Teilungsversteigerung ein zum Nachlass gehörendes Grundstück, das mit forderungslosen Grundschulden belastet ist, die nach den Versteigerungsbedingungen nicht durch das Bargebot zu decken waren, und die der Ersteher nach dem Zuschlag aufgrund vorliegender Löschungsbewilligungen löschen lässt, können die anderen Miterben nicht aus § 816 Abs. 2 BGB die Zahlung des Nennbetrages der gelöschten Grundpfandrechte an die Erbengemeinschaft verlangen.
2. Eine Zahlung des Nennbetrages der gelöschten forderungslosen Grundschulden kann ebenso wenig aus § 816 Abs. 1 BGB beansprucht werden, wenn die anderen Miterben vor Zuschlagserteilung der Löschung zugestimmt haben und ihr Einverständnis nicht vor der Löschung widerrufen haben.
3. Einreden aus dem Sicherungsvertrag stehen dem Ersteher des Grundstücks nicht zu.
4. Dieser kann aber in seiner Eigenschaft als Mitglied der Erbengemeinschaft gegen die anderen Miterben, die aus den Grundschulden die Zwangsvollstreckung betrieben wollen, die Einrede erheben, dass die Vollstreckung aus den nicht mehr valutierten Grundschulden unstatthaft ist.
Normenkette
BGB § 183 S. 1, § 816 Abs. 1-2, §§ 1147, 1169, 1191, 1192 Abs. 1; ZVG § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2, § 91 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 4 O 139/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Oktober 2022 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Kleve abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streithelfer trägt seine Aufwendungen selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 65.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, die Beklagte und der Streithelfer sind in ungeteilter Erbengemeinschaft die Miterben ihres im Jahr 2010 verstorbenen Vaters.
Zum Nachlass gehörte ein Hausgrundstück in Wachtendonk nebst Garage. Das Grundstück war mit zwei Grundpfandrechten belastet, die ursprünglich Verbindlichkeiten des Erblassers absicherten, nämlich mit einer Buchhypothek zugunsten der Stadt Duisburg über einen Betrag von 15.000 DM und mit einer Sicherungsgrundschuld zugunsten des Beamten-Heimstättenwerks (nachfolgend: BHW) über 104.000 DM. Noch zu Lebzeiten des Erblassers waren die grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen getilgt und war jedenfalls vom BHW eine Löschungsbewilligung an den Erblasser erteilt worden. Die Löschung der Grundpfandrechte war nicht veranlasst worden.
Im Frühjahr 2019 wurde das Hausgrundstück des Erblassers zum Zwecke der Aufhebung der zwischen den Erben bestehenden Gemeinschaft zwangsversteigert. Das dazu eingeholte Wertgutachten beziffert den Grundstückswert einschließlich Garage auf 190.500 Euro. Im Versteigerungstermin blieb die Beklagte Meistbietende und erwarb den Grundbesitz durch Zuschlag am 18. April 2019 zu einem Preis von 190.005 Euro. Die beiden Grundpfandrechte waren nach den Versteigerungsbedingungen nicht durch Zahlung zu decken und blieben daher bestehen.
Nach der Zuschlagserteilung ließ die Beklagte die Hypothek und die Grundschuld löschen und veräußerte das Hausgrundstück nebst Garage an einen Dritten.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin - vom Streithelfer vollumfänglich unterstützt - die Verurteilung der Beklagten, den Nennbetrag der beiden Grundpfandrechte in Höhe von 60.843,74 Euro nebst Zinsen an die Erbengemeinschaft zu zahlen.
Das Landgericht hat der Klage aus § 816 Abs. 2, 818 Abs. 2 BGB stattgegeben.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Zur Begründung macht sie im u.a. geltend, dass der eingeklagten Forderung der Einwand des missbräuchlichen Verhaltens entgegenstehe. Dazu führt sie näher aus.
Die Beklagte beantragt,
das angegriffene Urteil des Landgerichts Kleve abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und der Streithelfer beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil und treten den Berufungsangriffen im Einzelnen entgegen.
Der Senat hat den Sach- und Streitstand sowie die Rechtslage mit den Parteien im Einzelnen erörtert. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 18. April 2024 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den nachfolgenden Gründen unter Abschnitt II. verwiesen.
II. Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Beklagte ist der Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Zahlung der Nennbeträge der in ...