Leitsatz (amtlich)
a) Die internationale Zuständigkeit für Ansprüche aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG n.F.), die gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz geltend gemacht werden, bestimmt sich nach dem Luganer Übereinkommen vom 16.9.1988; solche Ansprüche fallen nicht unter Art. 1 Abs. 2 Ziff. 2 LugÜ, wonach selbiges nicht auf Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren anwendbar ist.
b) Ansprüche aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG n.F.) sind solche "aus einem Vertrag" i.S.d. Art. 5 Nr. 1 LugÜ.
c) Erfüllungsort für Ansprüche aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG n.F.) ist der Sitz der Gesellschaft.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 17.09.2008; Aktenzeichen 6 O 162/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17.9.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Mönchengladbach (6 O 162/07) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.618,87 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.2.2007 zu zahlen.
Dem Beklagten wird vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche der durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten, der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin ist, nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. (nunmehr § 64 Satz 1 GmbHG n.F.) sowie aus Delikt auf Erstattung von Zahlungen i.H.v. insgesamt 48.618,87 EUR in Anspruch, die dieser zwischen dem 7. und 23.1.2002 - am 23.1.2002 wurde seitens des Beklagten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gestellt - an seine Ehefrau und an seinen Schwiegervater geleistet habe. Der Beklagte hat, ebenso wie seine Ehefrau und sein Schwiegervater, seinen Wohnsitz in der Schweiz.
Am 26.5.2000 hatte der Schwiegervater des Beklagten der Insolvenzschuldnerin ein unbefristetes, mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündbares Darlehen über 100.000 CHF gewährt. Ein weiteres Darlehen über 40.000 CHF hatte der Schwiegervater des Beklagten der Insolvenzschuldnerin am 24.7.2001 gewährt. Dieses Darlehen war auf drei Monate befristet und am 24.10.2001 einschließlich Zinsen zur Rückzahlung fällig. In beiden Darlehensverträgen heißt es:
"Als Sicherheit gelten die Forderungsbestände der Firma Z. GmbH i.H.v. 2800.000 DM."
Durch Vereinbarung vom 26.5.2000 hatten die durch den Beklagten vertretene Insolvenzschuldnerin und der Schwiegervater des Beklagten überdies vereinbart, dass die Forderungen beginnend mit der niedrigsten Buchhaltungs-Kontonummer und sodann aufsteigend nach der numerischen Reihenfolge der Kontonummern bis zum Erreichen des Betrages von 200.000 DM abgetreten werden sollten.
Mit Schreiben vom 17.12.2001 teilte der Schwiegervater des Beklagten der Insolvenzschuldnerin mit, "da er erfahren habe, dass sich Ihre Firma in einer finanziell unsicheren Situation befindet und Sie bis heute trotz Fälligkeit mein Darlehen über CHF 40.000 ... nicht beglichen haben, beauftrage ich hiermit meine Tochter ... die mir zur Sicherheit abgetretenen Forderungen der Firma Z. GmbH einzuziehen. Das betrifft ebenso mein Darlehen von CHF 100.000 ..."
Zwischen dem 7. und 22.1.2002 zahlte - wie der Kläger behauptet - der Beklagte für die Insolvenzschuldnerin an seine Ehefrau in mehreren Teilbeträgen insgesamt 34.662,24 EUR. Am 22. und 23.1.2002 zahlte der Beklagte an seinen Schwiegervater in drei Teilbeträgen insgesamt 13.956,63 EUR.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die deutschen Gerichte seien für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, weil er sich zum einen auf einen deliktischen Anspruch stütze und der Anspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG als quasi-deliktischer Anspruch i.S.d. Art. 5 Nr. 3 des Luganer Übereinkommens (LugÜ) anzusehen sei. Zur Sache hat er behauptet, die Insolvenzschuldnerin sei im Januar 2001 überschuldet gewesen. Insoweit hat er sich im Wesentlichen auf eine zum 31.12.2001 erstellte Rohbilanz, die eine bilanzielle Überschuldung von über 600.000 DM ausweise, sowie auf den Umstand gestützt, dass der Beklagte selbst am 23.1.2002 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe.
Der Beklagte hat die Klage für unzulässig erachtet, weil die deutschen Gerichte international nicht zuständig seien. Der Ersatzanspruch nach § 64 Abs. 2 GmbHG, auf den sich der Kläger in seinem Mahnbescheidsantrag allein gestützt habe, sei kei...