Leitsatz (amtlich)
1. Ob eine per Email dem Kunden übersandte automatische Antwort neben der Wissenserklärung des § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB zugleich auch eine auf die Vertragsannahme gerichtete Willenserklärung beinhaltet, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
2. Eine mit "Auftragsbestätigung" überschriebene automatische Email, die eine Wissenserklärung nach § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB beinhaltet, ist regelmäßig zugleich als eine auf die Vertragsannahme gerichtete Willenserklärung auszulegen.
3. Die in einer Wissenserklärung nach § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB enthaltene Erklärung "Vielen Dank für Ihren Auftrag. Wir werden Ihre Bestellung umgehend bearbeiten." lässt im Rahmen der Auslegung regelmäßig den Schluss zu, dass damit zugleich eine auf die Vertragsannahme gerichtete Willenserklärung abgegeben ist (anders OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.06.2009, 14 U 622/09; OLG Oldenburg, Beschlüsse vom 12.06.2008 und 04.07.2008, 5 U 92/08).
4. Die Anfechtung eines aufgrund einer fehlerhaften Preisauszeichnung in einem Online-Shop zu Stande gekommenen Vertrages wegen Erklärungsirrtums setzt neben der Darlegung einer ungewollten Preisangabe auch die konkrete Darlegung voraus, dass das Auseinanderfallen des inneren Willens und des äußeren Erklärungstatbestandes auf einem Fehler bei der Dateneingabe oder -weiterleitung beruht, da andernfalls auch ein nicht zur Anfechtung berechtigender Kalkulationsirrtum in Betracht kommt.
5. Der über einen Online-Shop abschließende Kunde kann sich bei einem aufgrund fehlerhafter Kalkulation mit einem deutlich zu niedrigen Preis ausgezeichneten Vertragsgegenstand nach § 242 BGB jedenfalls dann nicht auf den Vertrag berufen, wenn er bei Vertragsschluss die fehlerhafte Preisangabe positiv erkannt hat und die Vertragsdurchführung für den Verkäufer schlechthin unzumutbar ist. Das bloße Erkennen der fehlerhaften Preisangabe allein reicht zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs hingegen nicht aus (anders OLG München, Beschluss vom 15.11.2002, 19 W 2631/02).
Normenkette
BGB § 312i Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 17.03.2015; Aktenzeichen 11 O 37/15) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.03.2015 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Wuppertal - Az.: 11 O 37/15 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses und das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, ein im Bereich der Wärmedämmtechnik tätiges Unternehmen, verlangt von der Beklagten die Erfüllung eines zwischen den Parteien umstrittenen Kaufvertrages über 10 Generatoren der Marke M.
Die Beklagte bot in dem von ihr betriebenen Online-Shop über das Internet benzingetriebene Generatoren der Marke M. vom Typ G-4300 IS an. Am 01.02.2014 waren diese Generatoren im Online-Shop der Beklagten zum Stückpreis von 24,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer ausgezeichnet. Die Klägerin hatte für ihren eigenen Geschäftsbetrieb keine Verwendung für derartige Generatoren. Der Geschäftsführer der Klägerin, der erkannt hatte, dass es sich um eine fehlerhafte Preisauszeichnung handelte, wollte die Geräte günstig ankaufen und sodann mit Gewinn weiterverkaufen. Durch Eingabe im Internet bestellte er am 01.02.2014 gegen 20:48 Uhr 10 dieser Geräte zu dem ausgezeichneten Preis. Im selben Zeitraum wurde von demselben Computer per Suchanfrage über Google der übliche Marktpreis der Geräte ermittelt. Über denselben Computer bestellte am 02.02.2014 der mit dem Geschäftsführer der Klägerin bekannte Zeuge F. ebenfalls 10 Stück dieser Geräte zu dem entsprechend ausgezeichneten Preis.
Die Beklagte übersandte der Klägerin noch am 01.02.2014 eine automatisch über ihr Computersystem generierte Email mit folgendem Inhalt:
"Auftragsbestätigung für Ihre Bestellung vom 01.02.2014:
Menge |
Artikelnr |
Produktbezeichnung |
EUR Einzel |
EUR Gesamt |
3 |
300157 |
M. G 4300 IS Generator |
24,00 |
72,00 |
4 |
300157 |
M. G 4300 IS Generator |
24,00 |
96,00 |
3 |
300157 |
M. G 4300 IS Generator |
24,00 |
72,00 |
|
|
|
Versand: |
0,00 |
|
|
|
Summe: |
240,00 |
|
|
|
19 % Mwst.: |
45,60 |
|
|
|
Gesamt: |
285,60 |
Versand:
Erfolgt mit dem Paketdienst UPS. Bei einem Nettowarenwert bis EUR 100,- berechnen wir eine Versandpauschale von EUR 7,50 zuzügl. MwSt. Bei darüberliegenden Summen erfolgt der Versand im Inland frei Haus. Über den Warenausgang werden sie per E-Mail informiert.
Zahlung:
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...
Vielen Dank für Ihren Auftrag. Wir werden Ihre Bestellung umgehend bearbeiten.
Ihre... H. GmbH"
Mit Email vom 02.02.2014 teilte die Beklagte der Klägerin Folgendes mit:
"aufgrund einer Systemstörung können wir Ihre Online Bestellung vom 01.02.2014 leider nicht ausführen und stornieren ...