Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Rechtsanwalt mit der Abwehr der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses betraut wird, hat er den Mandanten darüber aufzuklären, bis zu welchem Endtermin eine Künigungsschutzklage zu erheben ist und welche Konsequenzen die Versäumung dieser Frist hat.
Hängt im Regressprozess die Frage, ob eine für einen Schaden kausale Pflichtverletzung des Rechtsanwalts vorliegt, vom hypothetischen Ergebnis des Ausgangsverfahrens ab, richtet sich die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich nach der Darlegungs- und Beweislast im Ausgangsverfahren. Deshalb hat der mit der Abwehr der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses beauftragte Rechtsanwalt darzulegen und zu beweisen, dass die Kündigung sich als gerechtfertigt erwiesen hätte.
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 09.09.2011; Aktenzeichen 1 O 122/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.9.2011 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 23.733,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.2.2011 sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 559,78 EUR zu zahlen; die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 15 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 85 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 7 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 93 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 25.473 EUR
Gründe
A. Der Kläger war seit dem 23.7.1996 bei der A GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber) als Lagerist beschäftigt. Am 8.11.2010 warf deren Personalleiter dem Kläger in einem gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Arbeitgebers geführten Gespräch vor, Kleineisenteile der Firma entwendet zu haben. Der Beklagte bestritt dies und räumte lediglich ein, in 2008 vier Eisenwinkel mitgenommen zu haben, was ihm seinerzeit von dem Betriebsleiter ausdrücklich gestattet worden sei. Am 10.11.2010 suchte der Kläger die Beklagten auf, führte ein Gespräch mit dem Beklagten zu 1) und beauftragte diesen mit der Wahrnehmung seiner Rechte. Die näheren Einzelheiten der Beauftragung sind zwischen den Parteien streitig. Mit Schreiben vom 11.11.2010 erklärte der Arbeitgeber des Klägers die fristlose, hilfsweise die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.5.2010.
Mit Schreiben vom 15.11.2010 widersprachen die Beklagten beiden Kündigungen, forderten den Arbeitgeber auf, bis zum 19.11.2010 die Kündigung zurückzunehmen, und kündigten an, bei fruchtlosem Fristablauf Kündigungsschutzklage zu erheben. Der Arbeitgeber des Klägers reagierte nicht auf dieses Schreiben. Die Beklagten erhoben keine Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat behauptet, er habe den Beklagten in dem Beratungsgespräch beauftragt, Rechtsmittel gegen eine etwaige Kündigung einzulegen. Eine Rechtsschutzversicherung habe er nicht; dies habe er dem Beklagten zu 1) auch mitgeteilt. Eine Kündigungsschutzklage hätte jedenfalls dazu geführt, dass die fristlose Kündigung für unbegründet erklärt worden wäre, so dass er sechs Monate länger Lohn von seinem Arbeitgeber erhalten hätte, woraus sich bei einem durchschnittlichen Bruttomonatslohn von ca. 2.500 EUR ein Betrag von 15.000 EUR ergebe. Hiervon sei das erhaltene Arbeitslosengeld i.H.v. insgesamt 6.553,80 EUR in Abzug zu bringen. Da auch die fristgerechte Kündigung unbegründet gewesen sei, hätte er eine Regelabfindung von zumindest 7 Monatsgehältern erhalten, also einen Betrag von 17.500 EUR.
Der Kläger hat weiter behauptet, nach dem Gespräch mit dem Beklagten zu 1) mehrmals telefonisch Kontakt zu der Kanzlei der Beklagten aufgenommen zu haben. Er sei jeweils nicht zu den Beklagten durchgestellt worden. Ihm sei gesagt worden, es sei alles auf dem Weg. Am 5.1.2011 habe der Beklagte zu 1) ihn angerufen und erklärt, die Frist zur Einlegung der Kündigungsschutzklage sei versehentlich verstrichen.
Der Kläger hat in erster Instanz zunächst schriftsätzlich vorgetragen, er habe gewusst, dass Anfang Dezember 2010 die Frist zur Einlegung der Kündigungsschutzklage abliefe. In seiner Anhörung vor dem LG hat er erklärt, diese Frist sei ihm unbekannt gewesen.
Der Kläger, der zunächst einen Antrag auf Zahlung von 31.200 EUR angekündigt hatte, hat nach Teilklagerücknahme sodann beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 25.946,20 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.2.2011 zu zahlen, sowie weitere 1.313,17 EUR für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, der ...