Leitsatz (amtlich)
1. Ein Vertrag, der gegen das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen (§ 5 StBerG) verstößt, ist gemäß § 134 BGB nichtig.
2. Die laufende Lohnabrechnung und die Fertigung von Lohnsteueranmeldungen unterfällt dem sog. Kontiererprivileg des § 6 Nr. 4 StBerG, nicht dagegen die umsatzsteuerrechtliche Berechnung sowie die Fertigung von Umsatzsteuervoranmeldungen. Unter den Begriff des Kontierens im Sinne von § 6 Nr. 4 StBerG fällt jede Entscheidung über die kontenmäßige und damit zugleich steuerliche Zuordnung eines Geschäftsvorganges und deren Kenntlichmachung durch schriftliche oder maschinelle Kennzeichnung, Eintragung in Kontierlisten, geordnete Ablage oder auf mechanischem Wege.
3. Eine rein schulische Ausbildung, eine allgemeine Lebens-/Berufserfahrung oder eine private Fortbildung steht der notwendigen Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf im Sinne von § 6 Nr. 4 StBerG nicht gleich. Eine gemäß § 6 Nr. 4 StBerG unzulässige Tätigkeit wird nicht dadurch zulässig, dass eine unbefugte Person die Tätigkeit durch eine befugte Person als Erfüllungsgehilfen ausführen lässt.
4. Im Falle unzulässiger Rechts- oder Steuerberatung kann dem Berater gegenüber dem Mandanten im Rahmen der Saldotheorie ein Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung erwachsen, der sich nach der Höhe der üblichen oder hilfsweise nach der angemessenen, vom Vertragspartner ersparten Vergütung richtet. Der Wertersatzanspruch des Beraters ist jedoch gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn ihm ein bewusster oder zumindest leichtfertiger Verstoß gegen das gesetzliche Verbot zur Last fällt; das Bewusstsein der Vertragsnichtigkeit oder ein leichtfertiges Sichverschließen vor dieser Erkenntnis ist nicht erforderlich.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 17.10.2000; Aktenzeichen 5 O 314/99) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 17.10.2000 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.490 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.9.1999 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden zu 83 % dem Beklagten und zu 17 % der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist – mit Ausnahme eines großen Teils der geltend gemachten Zinsen – begründet.
I. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung i.H.v. 14.490 DM aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu.
1. Der zwischen den Parteien bestehende Vertrag, den der Beklagte von seiner Mutter übernommen hat, ist insgesamt nichtig (§ 134 BGB). Der Beklagte hat unbefugte Hilfeleistungen in Steuersachen erbracht, ohne zu dem hierzu befugten Personenkreis gem. §§ 3, 4 und 6/Nr. 4 – StBerG (in der bis 30.6.2000 geltenden Fassung; vgl. BGBl I 2000, 874; Cichon/Späth, Bonner Handbuch der Steuerberatung, 75. Lieferung Juni 2001, § 6 StBerG, Anm. B 111.5 m.w.N.) zu zählen. Der Verstoß gegen das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen (§ 5 StBerG) macht den Vertrag gem. § 134 BGB nichtig (BGHZ 132, 231 [232]; OLG Koblenz v. 30.10.1990 – 3 U 1293/89, NJW 1991, 430; OLG Naumburg v. 15.4.1993 – 4 U 1/93, DStR 1994, 1248; Gehre, StBerG, 4. Aufl. 1999, § 5 Rz. 3 m.w.N.). Dabei ist es unbeachtlich, dass sich das Verbot gegen den Hilfeleistenden und nicht gegen den Kunden richtet, denn der Gesetzeszweck, eine unsachgemäße Beratung und Vertretung des Steuerpflichtigen zu verhindern, kann nur erreicht werden, wenn die Erfüllungsansprüche beider Teile vernichtet werden (BGHZ 132, 232; BGHZ 37, 262; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. 2001, § 134, Rz. 21 m.w.N.).
Für die steuerberatenden Berufe gilt, dass ein hohes öffentliches Interesse an einer sachgerechten Beratung besteht. Wegen der Wahrnehmung der Mandanteninteressen und der Vertrauensstellung gegenüber Finanzbehörden und -gerichten besteht ein allgemeines Interesse, dass Personen mit fehlender Sachkunde, Erfahrung oder persönlicher Eignung von der Hilfeleistung in Steuersachen ausgeschlossen werden (Gehre, StBerG, 4. Aufl. 1999, § 2 Rz. 1). Der Schutz der Steuerrechtspflege erfordert es indes nicht, jedwede nur denkbare Mitwirkung bei der Erfüllung der Buchführungspflichten allein den in §§ 3 und 4 StBerG genannten Personen und Vereinigungen vorzubehalten (BGHZ 54, 310). Sog. Kontierer dürfen daher bei entsprechender Ausbildung gem. § 6 Nr. 4 StBerG auf einem eng begrenzten Teilgebiet Hilfe in Steuersachen leisten. Die Einfügung von § 6 Nr. 4 StGB durch das 4. Steuerrechtsberatungsänderungsgesetz vom 9.6.1989 geht auf die Entscheidungen des BVerfG (E 54, 301 u. E 59, 302) zurück (vgl. Gehre, StBerG, 4. Aufl. 1999, Einleitung Rz. 10), wonach im Rahmen der Buchhaltung folgende drei Tätigkeitsbereiche zu unterscheiden sind:
– Einrichten der Buchführung (Aufstellen des Kontenplans)
– Laufende Buchführung
– Erstellung von ...