Leitsatz (amtlich)
In der Beziehung zwischen Netzbetreiber und Netznutzer schließt § 23a Abs. 5 S. 1 EnWG eine Rückabwicklung überhöhter Nutzungsentgelte in dem Zeitraum vom 29.10.2005 bis zur tatsächlichen Entgeltgenehmigung durch die Regulierungsbehörde aus. Dieser Zeitraum ist vom restlichen Jahr 2005 linear abzugrenzen, weil die Regulierungsbehörde bei der Ermittlung der Höhe der Mehrerlöse ebenfalls eine lineare Abgrenzung vorgenommen hat.
Normenkette
EnWG § 23a Abs. 5 S. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 11.11.2010; Aktenzeichen 13 O 181/05 Kart.) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der II. Kammer für Handelssachen des LG Dortmund vom 11.11.2010 - 13 O 181/05, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Nutzungsentgelt einschließlich der Mess- und Verrechnungsentgelte für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten durch die X. zur Energieversorgung ihrer Kunden, die sie in den Jahren 2002-2005 einschließlich im Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt hat, einschließlich der Nutzung der vorgelagerten Netze wird auf ... EUR/netto (= ... EUR/brutto) bestimmt.
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Xx ... EUR/brutto mit Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus ... EUR vom 15.9.2007 bis zum 15.1.2008, aus ... EUR vom 16.1.2008 bis zum 21.12.2008, aus ... EUR vom 22.12.2008 bis zum 20.8.2008 und aus ... EUR ab dem 21.8.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 40 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 14 % und die Beklagte zu 86 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin und Berufungsbeklagte ist eine bundesweit tätige Stromhändlerin ohne eigenes Stromverteilernetz. Sie firmierte zunächst als Xxx., dann als Xx. und nunmehr als Y. Bereits im Jahr ... übertrug sie das Geschäftsfeld, zu dem die streitgegenständlichen Klageforderungen gehören, an die im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung entstandene Xx. Die Klägerin betreibt den Rechtsstreit nunmehr im Wege der aktiven Prozessstandschaft.
Die Klägerin nutzte das Stromverteilernetz der Beklagten und Berufungsklägerin seit dem Jahr ... aufgrund eines Rahmenvertrages vom ... zur Versorgung ihrer im Netzgebiet der Beklagten angemeldeten Kunden. Ab dem ... wechselte die Beklagte vom Alleinabnehmersystem zum Netznutzungszugangssystem nach der Verbändevereinbarung. Sie bot der Klägerin den Abschluss eines Netznutzungsvertrages nach § 6 EnWG an. Ein schriftlicher Vertrag wurde jedoch nicht geschlossen. Die Beklagte berechnete der Klägerin ab dem ... Netznutzungsentgelte auf der Grundlage ihrer Geschäftsbedingungen und Preisblätter.
Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage zunächst die Festsetzung billiger Netznutzungsentgelte für das Jahr 2002 sowie die Rückzahlung der Differenz zwischen den gezahlten Netznutzungsentgelten und den billigen Netznutzungsentgelten. Des Weiteren begehrte sie mit einer Stufenklage die Erteilung von Auskünften über die Tarifpreiskalkulation und weitere Kostenpositionen. Später nahm sie die Stufenklage zurück und begehrte im Wege zweier Klageerweiterungen auch für die Jahre 2003 bis 2005 die Festsetzung billiger Netznutzungsentgelte und die Rückzahlung der Differenz zwischen den gezahlten Netznutzungsentgelten und den billigen Netznutzungsentgelten. Die Klägerin hat an die Beklagte in den Jahren 2002 bis 2005 Netznutzungsentgelte i.H.v. insgesamt ... EUR/netto (= ... EUR/brutto bei 16 % Umsatzsteuer) gezahlt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Netznutzungsentgelte der Jahre 2002 bis 2005 seien unbillig überhöht und kartellrechtswidrig gewesen. Sie hat gemeint, die Überhöhung betrage mindestens 50 %. Die Kostenregulierung habe bereits zu einer Netznutzungsentgeltabsenkung von 30,6 % geführt. Da allenfalls eine Eigenkapitalquote der Beklagten von 20 % notwendig sei, müssten die Netznutzungsentgelte um weitere 13 % reduziert werden. Überdies sei im Rahmen der Kostenregulierung nur eine unvollständige Überprüfung durch die Bundesnetzagentur vorgenommen worden, so dass eine weitere Netznutzungsentgeltreduzierung notwendig sei. Gegenüber ihrer Rückzahlungsforderung könne sich die Beklagte auch nicht auf die Mehrerlösabschöpfung durch die Bundesnetzagentur berufen. Überdies seien die unbilligen Netznutzungsentgelte bei der Mehrerlösabschöpfung nicht in voller Höhe berücksichtigt worden.
Die Beklagte hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Netznutzungsentgelte der Jahre 2002 bis 2005 seien zweifelsfrei billig gewesen. Etwaige Ansprüche auf Rückzahlung von Netznutzungsentgelten für das Jahr 2002 seien überdies verjährt. Für den Zeitraum ...