Leitsatz (amtlich)

›Dadurch, daß der Vermieter mit der Rücknahme der Mieträume in Annahmeverzug gerät, wird der Mieter in der Regel noch nicht von seiner Rückgabepflicht befreit. Schuldbefreiende Wirkung tritt, von Sonderfällen abgesehen, erst durch Besitzaufgabe ein, die dem Vermieter vorher angedroht worden sein muß (Ergänzung zu Senat, Urt. v. 16.01.1997, 10 U 6/96, MDR 1997, 342 = WuM 1997, 218 = DWW 1997, 123).‹

 

Gründe

Die zulässige Berufung, mit der sich die Beklagte lediglich gegen ihre Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des Mietobjektes wendet, hat keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht dazu verurteilt, die von ihr gemieteten Werkshallen einschließlich Büro zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Ihre Rückgabeverpflichtung aus § 556 Abs. 1 BGB hat die Beklagte bis jetzt nicht erfüllt. Diesen Anspruch gerichtlich durchzusetzen, ist der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gehindert. Insbesondere fehlt der Räumungsklage entgegen der Auffassung der Berufung nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Zwischen den Parteien herrscht im Ausgangspunkt kein Streit darüber, daß ihr Mietverhältnis beendet ist. Streitpunkt ist im wesentlichen die Frage, ob die Beklagte alles getan hat, was zur Erfüllung des gegen sie gerichteten und ungeachtet, des außergerichtlichen Vergleichs bestehenden Rückgabeanspruchs notwendig ist. Das ist mit dem Landgericht zu verneinen. Die Beklagte hat die Mietsache noch nicht zurückgegeben. Entgegen der Ansicht der Berufung liegt der Fall auch nicht so, daß der Kläger sich so behandeln lassen muß, als sei dies geschehen.

1. Grundsätzlich hat der Mieter zur Erfüllung seiner Rückgabepflicht dem Vermieter den unmittelbaren Besitz an der Mietsache einzuräumen. Zur Besitzverschaffung an Räumen gehört, daß der Mieter sämtliche Schlüssel an den Vermieter zurückgibt. Bestandteil der in § 556 BGB geregelten Rückgabepflicht ist ferner, daß der Mieter die von ihm eingebrachten Sachen entfernt.

Ob die Beklagte sämtliche ihr überlassenen Schlüssel und auch die Kurbel für das Rolltor zurückgegeben hat, bedarf keiner Klärung. Selbst wenn sie diesen Teil ihrer Rückgabeverpflichtung erfüllt haben sollte, bleibt ihr Rechtsmittel ohne Erfolg. Denn nach wie vor befinden sich zahlreiche Gegenstände der Beklagten in den ehemals vermieteten Räumen, so daß von einer vollständigen Rückgabe nicht ausgegangen werden kann. Das scheint die Berufung in tatsächlicher Hinsicht nicht anders zu sehen, wenn sie den jetzigen Zustand als nur "teilgeräumt" bezeichnet und die Notwendigkeit einer "Endräumung" zugibt. Die im Senatstermin in Augenschein genommenen Lichtbilder bestätigen eindrucksvoll die Behauptung des Klägers, die Hallen und das Büro seien noch "vollgestellt mit allen möglichen Gegenständen". Nach Anzahl, Größe und Wert sind diese Sachen keineswegs so unbedeutend, daß der Beklagten zugestanden werden kann, das Objekt trotz des Zurücklassens dieser Gegenstände geräumt zu haben. Dies um so weniger, als sie augenscheinlich auf sämtliche Mieträume verteilt sind, sich also nicht etwa in Nebenräumen wie Keller oder Garage befinden.

2. Mit dem Landgericht ist der Senat der Ansicht, daß die Beklagte nicht so behandelt werden kann, als habe sie ihre Sachen vollständig entfernt und damit ihre Rückgabeverpflichtung auch in diesem Punkt erfüllt.

Das Landgericht nimmt zugunsten der Beklagten an, daß der Kläger mit der Rücknahme des Mietobjekts in Annahmeverzug geraten sei. Dennoch sei der Räumungsanspruch mit Rücksicht auf die Regelung in § 303 BGB nicht erloschen. Fraglich sei schon, ob die Beklagte den Besitz an den Räumlichkeiten einschließlich der zurückgebliebenen Sachen tatsächlich aufgegeben habe. Im Ergebnis komme es auf diese Frage aber nicht an, weil die Beklagte nicht dargetan habe, dem Kläger eine etwaige Besitzaufgabe vorher angedroht zu haben, wie es § 303 Satz 2 BGB verlange.

Diesen Erwägungen stimmt der Senat im Kern zu.

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 16. Januar 1997 (10 U 6/96, veröffentlicht in MDR 1997, 342) ausgeführt hat, ist der Eintritt von Annahmeverzug nicht ohne weiteres gleichzusetzen mit der Erfüllung der Rückgabeverpflichtung nach § 556 Abs. 1 BGB. Während der Rückgabeschuldner bei einer beweglichen Sache die Möglichkeit hat, sich durch Hinterlegung (§ 372 BGB) von seiner Verpflichtung zu befreien, gibt § 303 BGB demjenigen, der zur Herausgabe eines Grundstücks verpflichtet ist, im Falle des Annahmeverzugs des Gläubigers stattdessen ein Recht zur Besitzaufgabe. Wird es ausgeübt, wobei grundsätzlich eine Androhung vorauszugehen hat (§ 303 Satz 2 BGB), so tritt gleichfalls eine schuldbefreiende Wirkung ein. Nach der Besitzaufgabe (Preisgabe) kann der Gläubiger keine Herausgabe mehr verlangen.

Die in § 303 BGB geregelte Konfliktlösung kommt der Beklagten nicht zugute. Zwar ist die Vorschrift auch auf den vertraglichen Herausgabe- und Räumungsanspruch gemäß § 556 Abs. 1 BGB anwendbar, soweit er, wie hier, auf die Rückgabe gemieteter (Geschäfts-)Räume ger...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge