Leitsatz (amtlich)
1. Das Tätigkeitsgebot des § 59e Abs. 1 Satz 2 BRAO verlangt eine Erbringung der Leistungen in der und für die Rechtsanwaltsgesellschaft selbst.
2. Ein Verstoß gegen das Tätigkeitsgebot durch den sozietätsfähigen Nicht-Rechtsan-walts-Gesellschafter führt nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages oder dazu, dass er nicht Gesellschafter geworden ist.
Normenkette
BRAO § 59e Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 24.05.2011; Aktenzeichen 7 O 236/10) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 24.5.2011 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Düsseldorf - 7 O 236/10 - wird hinsichtlich der Beklagten zu 5) und zu 6) als unzulässig verworfen und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten vor dem Hintergrund im Jahre 2010 aufgekommener Spannungen innerhalb der "A-Gruppe" über die Wirksamkeit von Beschlüssen, die in der Gesellschafterversammlung der A-RA-GbR am 17.6.2010 und gleichlautend im Anschluss in der Gesellschafterversammlung der B-RA-GmbH gefasst worden sind.
Die Kläger und die Beklagten zu 1) bis 4) sowie 7) bis 10) sind Gesellschafter der A-RA-GbR, die (vormaligen) Beklagten zu 5) und 6) waren es bis zum 31.12.2009, längstens aber bis zum 31.12.2010. Die A-RA-GbR ist Mehrheitsgesellschafterin der mittlerweile als B-RA-GmbH(neu) firmierenden B-RA-GmbH, der Beklagten zu 2).
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, die angegriffenen Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen der A-RA-GbR und der B-RA-GmbH seien unwirksam. Sie, die Kläger, seien nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen, so dass ihre Stimmen zu berücksichtigen gewesen seien. Bei Einbeziehung ihrer Stimmen sei das im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Mehrheitserfordernis von 75 % der abgegebenen Stimmen nicht erreicht worden. Das Stimmrecht eines Gesellschafters bestehe auch dann, wenn er keine berufliche Tätigkeit in der Rechtsanwaltsgesellschaft ausübe. Im Übrigen sei gesetzliche Folge der fehlenden Tätigkeit nicht das Ruhen des Stimmrechts, sondern gegebenenfalls der Widerruf der Zulassung. § 59e BRAO besage außerdem nicht, dass nicht ein Quorum von 75 % verlangt werden könne, auch wenn ein solches von den Rechtsanwälten nicht alleine zu erreichen sei. Es müsse nur sichergestellt sein, dass keine Beschlüsse gegen den einheitlichen Willen der Rechtsanwälte gefasst werden können.
Aus der Nichtigkeit der Beschlüsse folge, dass auch die Stimmabgaben der Beklagten zu 1), 8), 9) und 10) als Vertreter der A-RA-GbR in der im Anschluss abgehaltenen Gesellschafterversammlung der B-RA-GmbH rechtswidrig gewesen seien.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen und der erstinstanzlichen Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27.5.2011 Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet, weil die gefassten Beschlüsse wirksam seien. Anderes folge insbesondere nicht daraus, dass die Beschlüsse ohne Einbeziehung der Stimmrechte der Kläger zustande gekommen seien. Zwar stehe den Klägern als Gesellschafter der A-RA-GbR an sich ein Stimmrecht zu, dieses habe aber aufgrund der nicht vorliegenden Voraussetzungen des § 59e BRAO geruht, so dass sie bei der Abstimmung nicht stimmberechtigt gewesen seien. Die Kläger erfüllten die Voraussetzungen der auch für die mittelbare Beteiligung geltenden Regelung des § 59e BRAO nicht, da sie als Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer zwar Angehörige der in § 59a Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BRAO genannten Berufe seien, es fehle aber - auch wenn das Gesetz keine Regelung über den Umfang und den Inhalt der Tätigkeit treffe - an dem erforderlichen Mindestmaß an Tätigkeit für die Rechtsanwaltsgesellschaft. Die von den Klägern vorgetragene Akquisetätigkeit genüge selbst den Mindestanforderungen der aktiven Berufsausübung nicht. § 59e BRAO wolle verhindern, dass ein Gesellschafter im Wesentlichen Anteile hält und für eine andere Gesellschaft tätig ist. Das treffe aber bei den Klägern gerade zu, ihr Akquiseerfolg für die Rechtsanwaltsgesellschaft sei ihrem eigenen Vortrag nach im Rahmen ihrer Tätigkeit für die jeweilige Branchengesellschaft erfolgt, da dies der Kooperationsstruktur der A-Gruppe entspreche. Dann aber liege die Mandatsgewinnung für die B-RA-GmbH lediglich als bloßer Nebeneffekt vor. Die gewonnenen Mandate seien "Abfallprodukte" aus der steuerrechtlichen Beratung und der Wirtschaftsprüfung und nicht das Ergebnis einer aktiven Akquise ausschließlich für die Rechtsanwaltsgesellschaft. Im Übrigen seien nach der Ankündig...