Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Annahme nach § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B; "Vergessen" der vertraglich vereinbarten förmlichen Abnahme; Entbehrlichkeit der Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Fertigstellungsanzeige i.S.d. § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B kann auch in der Schlussrechnungsstellung durch den Werkunternehmer liegen. Auf die fiktive Abnahme nach § 12 Nr. 5 Abs. 1 (ebenso wie nach Abs. 2) VOB/B kann jedoch dann nicht zurückgegriffen werden, wenn die Parteien ausdrücklich eine förmliche Abnahme vereinbart haben.
2. Haben die Parteien die vereinbarte förmliche Abnahme schlicht "vergessen", so kann hierin ein beiderseitiger stillschweigender Verzicht auf die vereinbarte Förmlichkeit liegen, was wiederum zur Folge hat, dass eine stillschweigende Abnahme durch schlüssiges/konkludentes Verhalten des Auftraggebers in Betracht kommt, wobei jedoch für die Annahme eines stillschweigenden Verzichts auf eine vereinbarte förmliche Abnahme Zurückhaltung geboten ist.
3. Zur Fälligkeit der Werklohnforderung bedarf es einer Abnahmeerklärung durch den Besteller nicht mehr, wenn das von dem Unternehmer erbrachte Werk abnahmereif ist und sich deshalb die Abnahmeverweigerung durch den Besteller, die in der Berufung auf die fehlende Abnahme liegt, als unberechtigt und damit unbeachtlich erweist.
Normenkette
VOB/B § 12 Nr. 5 Abs. 1-2; BGB §§ 640-641
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 16.07.2008; Aktenzeichen 41 O 102/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.7.2008 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen - Vorsitzender - des LG Düsseldorf - 41 O 102/06 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 39.436,80 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszins
- auf 21.840 EUR für die Zeit vom 28.2.2006 bis zum 6.4.2006
- auf 2.184 EUR ab 7.4.2008
- auf 34.320 EUR seit dem 10.3.2006 und
- auf 2.068,74 EUR seit dem 3.5.2006.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin weitere 3.120 EUR Zug um Zug gegen Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft zu zahlen.
3. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Ausgenommen hiervon sind etwaige durch die Anrufung des LG Köln entstandenen Mehrkosten, die die Klägerin zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht Restvergütungsansprüche wegen von ihr an dem Bauvorhaben der Bauherrin L. durchgeführter Trapezblecharbeiten, mit denen die Beklagte sie am 15.12.2005 zu einem vereinbarten Pauschalpreis von netto 62.400 EUR beauftragt hatte, sowie Vergütung für eine behauptete Zusatzleistung geltend. Die Klägerin erteilte der Beklagten zwei Abschlagsrechnungen vom 23.1.2006 über 21.480 EUR und vom 14.2.2006 über 34.200 EUR, die die Beklagte trotz Mahnung nicht zahlte.
Sie hat ihre Forderung wie folgt errechnet:
- vereinbarter Pauschalpreis netto 62.400 EUR
- Zusatzleistung netto 143,55 EUR
In Abzug zu bringen
- 5%iger Sicherheitseinbehalt 3.127,18 EUR
0,3 % Baustrom, Nebenkosten netto 187,63 EUR
Netto 59.228,74 EUR
Abzüglich einer am 6.4.2006 eingegangenen Scheckzahlung von 19.656 EUR
Verbleibt 39.572,74 EUR
Sie hat diesen Betrag nebst anteiligen Zinsen als Klageforderung geltend gemacht sowie des Weiteren die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Sicherheitseinbehalts Zug um Zug gegen Gestellung einer Gewährleistungsbürgschaft beantragt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Forderung mangels Abnahme für nicht fällig gehalten. Im Übrigen hat sie sich auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen behaupteter Mängel berufen. Sie hat Undichtigkeiten im Bereich der Dachlichtkuppeln, die fehlende Montage einer Fallrohrmanschette sowie schließlich beanstandet, dass auf der von der Klägerin bearbeiteten Dachfläche nach Niederschlägen das Oberflächenwasser stehen bleibe, weil die Dachneigung und die Gefälleausbildung in diesem Bereich nicht ordnungsgemäß erfolgt seien, so dass das Niederschlagswasser nicht zu den seitlich befindlichen Einläufen gelangen könne.
Die Klägerin ist den Mängelrügen entgegengetreten. Sie hat sich zusätzlich darauf berufen, dass sie erfolglos eine Sicherheit nach § 648a BGB gefordert habe u. die Beklagte auch deshalb ein Zurückbehaltungsrecht nicht geltend machen könne.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der sich aus dem abgeschlossenen Werkvertrag nach Durchführung der Arbeiten ergebende Vergütungsanspruch nach §§ 631, BGB, 16 VOB/B sei fällig. Die hierfür erforderliche Abnahme ergebe sich aus § 12 Nr. 5 VOB/B. In der Schlussrechnung vom 3.3.2006 liege eine Fertigstellungsanzeige im Sinne dieser Vors...