Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 23.01.2013) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Kleve vom 23.1.2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger kann als Gebäudeversicherer des geschädigten Versicherungsnehmers H. A. die Beklagte nicht erfolgreich in Regress nehmen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG). Dem Versicherungsnehmer steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Ersatzanspruch zu.
1. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht besteht nicht. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass die Beklagte die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH NJW 2006, 610 [611]; BGH NJW 2007, 1683 [1684]; BGH NJW 2013, 48). Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt (vgl. BGH NJW 2013, 48). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH NJW 2013, 48 f. m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der gesetzlichen Risikozuweisung ist eine Haftung der Beklagten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auf die am 12.7.2010 umgestürzte Eiche nicht gegeben. Grundsätzlich obliegt es jedem Eigentümer, die auf seinem Grundstück vorhandenen und unterhaltenen Pflanzen, insbesondere aber Bäume auf Schäden und Erkrankungen in regelmäßigen Abständen zu untersuchen und im Falle des Verlustes der Standfestigkeit zu entfernen, damit von ihnen keine Gefahr ausgeht. Die Kontrolle der im privaten Bereich unterhaltenen Bäume kann der Eigentümer selbst durchführen und muss sich hierbei keines Fachmannes bedienen. Schäden und Erkrankungen können in der Regel von einem Laien hinreichend (z.B. aufgrund abgestorbener Äste, brauner oder trockener Blätter, Verletzungen der Rinde und sichtbaren Pilzbefalls) erkannt und darauf rechtzeitig reagiert werden. Dies gilt auch für ältere Bäume wie für die hier betroffene ca. 200 Jahre alte Eiche. Denn ein allgemein bekannter Grundsatz, dass von älteren (und in der Regel auch alt werdenden) Bäumen eine schwerer zu erkennende Gefahr ausginge, existiert nicht. Eine eingehende fachmännische Untersuchung ist erst bei Zweifelsfragen zu veranlassen. Es überstiege die Anforderungen an den Verkehrskreis der Privateigentümer, die Kontrolle zumindest jedes älteren Baumes einem Fachmann oder Sachverständigen überlassen zu müssen. Schwierigkeiten ergäben sich insbesondere schon daraus, dass es für einen Privateigentümer keine erkennbare Regel gäbe, ab wann ein Baum als älter einzustufen wäre und einer fachmännischen Kontrolle bedürfte, um die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen.
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall ihrer Verkehrssicherungspflicht genügt:
Sie hat die regelmäßige Kontrolle zwar nicht selbst durchgeführt, sondern ihrem Neffen, dem Zeugen A., übertragen. Eine solche Übertragung der Kontroll- und Überprüfungspflichten bei der Haltung von Bäumen war aber zulässig. Sie bedarf einer klaren Absprache, die die Sicherung der Gefahrenquelle zuverlässig gewährleistet (vgl. BGH NJW 1996, 2646). Der Übertragende muss sich vergewissern, dass der Übernehmende bereit und in der Lage ist...