Leitsatz (amtlich)
1. Auch im Fall einer mittelbaren Zuwendung ist grundsätzlich dasjenige Gegenstand des Rückgewähranspruchs, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Insolvenzschuldners entzogen wurde. Hatte der spätere Schuldner zu keiner Zeit auch nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf den übertragenen Gegenstand, sondern bezahlt er in anfechtbarer Weise für einen Dritten nur die diesem obliegenden Erwerbskosten, beschränkt sich die Rückgewähr auf die geleisteten Zahlungen bzw. auf Wertersatz; der erworbene Gegenstand selbst braucht nicht herausgegeben zu werden.
2. Ob unter besonders gelagerten Umständen hiervon eine Ausnahme zu machen ist, wenn anders die mit der (Insolvenz-)Anfechtung verfolgten Zwecke nicht zu erreichen sind, kann offen bleiben, wenn der Anfechtende einen Anspruch auf Wertersatz hat.
3. In der Insolvenz des Anfechtungsgegners ist der Wertersatzanspruch nur eine einfache Insolvenzforderung ohne Aussonderungskraft.
Normenkette
InsO § 143 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Duisburg (Aktenzeichen 4 O 49/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 02.10.2020 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal (2 O 229/19) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, der Auszahlung des Kaufpreisanteils aus dem notariellen Kaufvertrag vom 05.12.2018 des Notars M., ..., der nach Abzug der in der zwischen den Parteien getroffenen Verwertungsvereinbarung vom 06./12.06.2018 zu Ziff. II 1. - 4. genannten Beträge verbleibt, gemäß Ziff. II 5. der vorgenannten Vereinbarung an die Klägerin zuzustimmen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerinnen streiten als Insolvenzverwalterinnen über das Vermögen der Eheleute J.D. und B. D. (Schuldner und Schuldnerin, zusammen auch die Schuldner) darüber, an wen ein Teil des Erlöses aus der Verwertung der Immobilie F. auszuzahlen ist. Das Grundstück hatten die Schuldner im Jahr 2012 gemeinsam von der S. GmbH gekauft; zu ihren Gunsten waren Eigentumsübertragungsvormerkungen zu je 1/2 Anteil im Grundbuch eingetragen, eine Eigentumsumschreibung ist jedoch nicht erfolgt. Das Grundstück ist vor Eröffnung der Insolvenzverfahren mit einer luxuriösen Stadtvilla bebaut worden. Der im notariellen Kaufvertrag vereinbarte Kaufpreis sowie sämtliche für den Bau erforderlichen finanziellen Mittel wurden durch den Schuldner aus eigenem bzw. von seinem vormaligen Arbeitgeber unterschlagenen Vermögen geleistet, wobei sich die Gelder zuvor teilweise auch auf Privatkonten befanden, die auf den Namen der Eheleute bzw. auf den Namen der Schuldnerin eingerichtet waren. Die Schuldnerin, die von den Veruntreuungen ihres Ehemanns keine Kenntnis hatte, verfügte ansonsten unstreitig weder über eigenes Vermögen noch über eigene Einkünfte.
Nachdem zunächst ihr Ehemann die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt hatte, verpflichtete sich die Schuldnerin in notarieller Urkunde vom 19.11.2015 (Anl. K 4), wegen der sich aus diesem Sachverhalt ergebenden Bereicherung im Umfang von 50 % des Kaufpreises sowie des Gebäudewertes, ihren hälftigen Miteigentumsanteil, den sie aufgrund des Kaufvertrages erwerben sollte, auf den Schuldner zu übertragen. Zum Vollzug der Urkunde kam es nachfolgend nicht. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Amtsgerichts W. vom 14.12.2015 eröffnet und die Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestellt. Nachdem mit Beschluss des Amtsgerichts K. vom 27.02.2018 auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und die Klägerin zu deren Insolvenzverwalterin bestellt wurde, schlossen die Parteien am 06./12.06.2018 eine (nicht: notarielle) Verwertungsvereinbarung bezüglich des Grundbesitzes F. (Anl. K 3). Darin war geregelt, dass der Grundbesitz verkauft und der auf ein Notaranderkonto einzuzahlende Kaufpreis - nach Abzug bestimmter vorab zu begleichender Verbindlichkeiten (Ziff. II 1. - 3.) - zu 50 % an die Beklagte auszuzahlen sei (Ziff. II. 4.); die weitere Hälfte sollte unter bestimmten Voraussetzungen oder Ablauf einer zunächst auf den 30.06.2019 bestimmten Frist ebenfalls an die Beklagte ausgezahlt werden, es sei denn, dem beurkundenden Notar werde eine übereinstimmende Erklärung beider Insolvenzverwalterinnen vorgelegt, wonach die Auszahlung an die Klägerin erfolgen solle oder die Klägerin lege einen rechtskräftigen, vollstreckbaren Titel gegen die Beklagte vor, wonach diese zur Zustimmung zur Auszahlung an die Klägerin verurteilt oder die Verpflichtung zur Zustimmung festgestellt wird (Ziff. II. 5.). Die Immobilie wurde zwischenzeitlich zu einem Kaufpreis von 1.010.000 EUR veräußer...