Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Weiterbelieferung einer an Wettbewerber veräußerten Handelsvertretung durch marktbeherrschendes Unternehmen
Normenkette
GWB § 20 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 06.06.2013) |
Tenor
I. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 6.6.2013 verkündete Urteil der II. Kammer für Handelssachen des LG Dortmund wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das vorgenannte Urteil abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Der Verfügungsantrag der Verfügungsklägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf insgesamt 300.000 EUR festgesetzt. Davon entfällt ein Teilbetrag von 60.000 EUR auf das Rechtsmittel der Verfügungsbeklagten.
Gründe
I. Die Verfügungsbeklagte produziert und vertreibt Frankiermaschinen. Die Verfügungsklägerin und ihre Rechtsvorgängerin waren seit mehreren Jahrzehnten für die Verfügungsbeklagte als Handelsvertreter tätig.
Mit notariellem Vertrag vom 2.5.2013 veräußerte der Inhaber der Verfügungsklägerin sämtliche Geschäftsanteile an die N ..., einer Wettbewerberin der Verfügungsbeklagten. Unter dem 5.5.2013 informierte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte über diesen Inhaberwechsel und erklärte zugleich die fristlose - hilfsweise: die fristgerechte - Kündigung des Handelsvertretervertrages.
Mit ihrem Verfügungsantrag begehrt die Verfügungsklägerin die Verurteilung der Verfügungsbeklagten, sie für die Dauer von 2 Jahren, mithin bis zum 6.5.2015, mit sämtlichen Original-Ersatzteilen und Original-Verbrauchsmaterialien für F.-P.-Geräten zu beliefern, ihr überdies eine Lizenz für die Nutzung näher bezeichneter Software zu erteilen sowie sie zur Wartung und Reparatur von F.-P.-Geräten zu ermächtigen.
Das LG hat dem Verfügungsantrag für die Zeit bis zum 6.11.2013 stattgegeben. Es hat angenommen, die Verfügungsbeklagte sei aus dem Gesichtspunkt einer nachvertraglichen Rücksichtnahmepflicht zur Weiterbelieferung der Verfügungsbeklagten verpflichtet. Mangels eines substantiierten Vorbringens zur Abwicklung der bestehenden Wartungs- und Reparaturverträge und zur Umstrukturierung des Geschäftsbetriebs sei die zuzubilligende Mindestübergangszeit allerdings auf lediglich sechs Monate zu veranschlagen.
Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Verfügungsklägerin möchte den zuerkannten Anspruch bis zum 6.5.2015 verlängert sehen, die Verfügungsbeklagte verfolgt ihren Zurückweisungsantrag weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Feststellungen des LG sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin ist unbegründet. Das Rechtsmittel der Verfügungsbeklagten hat Erfolg. Es führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung des Verfügungsantrags. Denn die Verfügungsklägerin kann von der Verfügungsbeklagten über das Ende des Handelsvertreterverhältnisses hinaus unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Weiterbelieferung verlangen.
A. Ein nachvertraglicher Belieferungsanspruch besteht nicht.
Dabei kann es auf sich beruhen, ob und unter welchen Voraussetzungen es überhaupt denkbar ist, einer Vertragspartei unter dem Aspekt der nachvertraglichen Rücksichtnahmepflicht einen Anspruch auf die Vertragsleistung zuzubilligen. Durchgreifende Zweifel ergeben sich schon auf erste Sicht aus der Tatsache, dass ein solcher nachvertraglicher Leistungsanspruch die geltenden Kündigungsfristen leerlaufen ließe. Nicht ohne Grund sind aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bislang alleine Neben- und Schutzpflichten, aber kein Anspruch auf die Vertragsleistung selbst abgeleitet worden (vgl. nur Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl., § 242 Rz. 24 ff. m.w.N.).
Im Streitfall scheidet ein nachvertraglicher Belieferungsanspruch - ungeachtet dieser grundsätzlichen Erwägungen - überdies aus, weil die Verfügungsklägerin weder schutzbedürftig noch schutzwürdig ist. Sie selbst hat den Handelsvertretervertrag mit der Verfügungsbeklagten gekündigt und sich hierdurch des Anspruchs auf diejenigen Vertragsleistungen, die sie nunmehr begehrt, freiwillig begeben. Es gibt keinen Grund und keine Rechtfertigung, der Verfügungsklägerin gleichwohl nachvertraglich einen Anspruch auf die Leistungen der Verfügungsbeklagten zu geben. Das gilt umso mehr, als sich die Verfügungsklägerin durch die Kündigung des Handelsvertretervertrages umgekehrt ihrer eigenen vertraglichen Pflichten, insbesondere der gesetzlichen Pflicht aus § 86 Abs. 1 HGB, die Interessen der Verfügungsbeklagten zu wahren, entledigt hat.
Dass nicht nur die Veräußerung der Geschäftsanteile an die N ..., sondern darüber hinaus auch die Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die mangelnde Profitabilität der Geschäftsbeziehung für die Verfügungsbeklagte veranlasst gewesen sein soll, behauptet die Verfügungsklägerin erstmals in der...