Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Entscheidung vom 29.11.2006) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29. November 2006 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer das Landgerichts Mönchengladbach abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1.
Die Parteien sind Brüder und streiten, nachdem sie zuvor unter Beteiligung ihrer beiden Schwestern sowohl im Erbscheinsverfahren (15 VI 113/99 AG Mönchengladbach) als auch in einem Zivilrechtsstreit (zuletzt 11 O 209/04 LG Mönchengladbach) jahrelang um die Erbenstellung nach ihrer Anfang 1999 verstorbenen Mutter gestritten hatten, vorliegend um den Pflichtteilsanspruch des Klägers gegen den Beklagten - als dem Alleinerben der Mutter aufgrund deren Testaments vom Mai 1998 - in Höhe von 10.864,90 EUR. Kernfrage des Streits in beiden Instanzen ist, ob dieser Pflichtteilsanspruch verjährt ist oder nicht.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen, durch das der Beklagte - bis auf eine Teilabweisung wegen des Zinsbeginns - in der genannten Höhe nach Antrag verurteilt worden ist und gegen das nur der Beklagte Berufung eingelegt hat. Der Kläger verteidigt als Berufungsbeklagter die angefochtene Entscheidung und Verurteilung. Wegen des Vorbringens des Beklagten als Berufungskläger wird auf seine in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Schriftsätze verwiesen.
2.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg, d.h., die angefochtene Entscheidung war abzuändern und die Zahlungsklage abzuweisen, weil der Pflichtteilsanspruch des Klägers verjährt ist (§ 2332 BGB).
2.1.
Es ist von dem in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten anerkannten Grundsatz auszugehen, daß die Dreijahresfrist aus § 2332 Abs. 1 BGB mit der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten, hier also des Klägers, von der beeinträchtigenden Verfügung, hier also von dem (zweiten) Testament vom Mai 1998, zu laufen beginnt und daß von einem Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich zu erwarten ist, dass er ggf. selbst verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergreift (wozu eine Auskunftsklage allein noch nicht gehört, RGZ 115, 27, 29). Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung ist es insbesondere nicht so, dass die Verjährung eines Pflichtteilsanspruchs solange gehemmt wäre, wie ein Erbscheinsverfahren, in dem um die Erbenstellung - und damit im Ergebnis auch um daraus folgende Pflichtteilsansprüche - gestritten wird, andauert.
Die den Fristbeginn markierende "Kenntnis" des Pflichtteilsberechtigten von der beeinträchtigenden Verfügung kann allerdings fehlen, wenn und solange der Berechtigte irrtümlich davon ausgeht und ausgehen darf, die - ihm als solche an sich bekannte - Verfügung entfalte keine ihn beeinträchtigende Wirkung. Das kann dann der Fall sein, wenn "Wirksamkeitsbedenken [gegen die beeinträchtigende Verfügung] nicht von vorneherein von der Hand zu weisen sind" (u.a. RGZ aaO; BGH NJW 1964, 297; 1995, 1157; 2000, 288). Eine auf solchen Wirksamkeitsbedenken beruhende Unkenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung ist nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich anzuerkennen. Vorliegend hat das Landgericht zur Begründung der "Unkenntnis" des Klägers im dargestellten Sinne allerdings darauf abgestellt, daß bis zum Ende der Beweisaufnahme im Erbscheinsverfahren am 15. Juni (oder an anderer Stelle: Juli) 2002 "nicht hinreichend sicher" festgestanden habe, daß der Kläger lediglich pflichtteilsberechtigt war, und dass deshalb die Zustellung des Mahnbescheids am 15. Juni 2005 fristwahrend gewesen sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
2.2.
Da der Kläger tatsächliche Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung, nämlich von dem Testament vom Mai 1998, das erstmals den Beklagten zum Alleinerben einsetzte, spätestens im Februar 1999 hatte, weil er (Kläger) in jenem Monat die beiden Testamente der Erblasserin von 1998 angefochten hat (s. Beiakten 15 VI 113/99), ist zu fragen, ob überhaupt und ggf. bis zu welchem Zeitpunkt die Wirksamkeitsbedenken des Klägers gegen dieses Testament ausreichten, um seine "Unkenntnis" von der beeinträchtigenden Verfügung im Sinne der Rechtsprechung anzuerkennen. Dass Kenntnis in diesem Sinne erst dann zu bejahen wäre, wenn die Rechtslage, wie das Landgericht gemeint hat, "hinreichend sicher" geklärt ist, lässt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung allerdings nicht entnehmen.
Welche "besondere Lage des Falles" (RGZ 115, 27, 31) es rechtfertigt, daß ein Pflichtteilsberechtigter "berechtigte Zweifel" an der Echtheit einer beeinträchtigenden Verfügung hat, bestimmt sich gemäß RGZ 140, 75, 77 und BGH NJW 1964, 297 f nach denselben Grundsätzen wie bei § 852 BGB [a.F.]: es müssen "erhebliche rechtliche Zweifel, verwickelte oder zweifelhafte Rechtsfragen" sein, die, bevor Kenntnis bejaht werden kann, "eine gewisse Klärung gefunden haben müssen". Es kann unterstellt werden, dass die vom Kläg...