Normenkette
StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 171, 235 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1, §§ 52-53; KrWaffKontrG § 1 Abs. 1, § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a); KWL Teil B Abschn. V Nr. 29 Buchst. c)
Tenor
Die Angeklagte wird wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit schwerer Entziehung Minderjähriger und zugleich mit Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
3 Jahren und 6 Monaten
verurteilt.
Die Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Dem Urteil liegt keine Verständigung nach § 257c StPO zugrunde.
I. Feststellungen zur Person
Die Angeklagte wurde am 00.00.00 in E. als Tochter von C1 und P. geboren und ist deutsche Staatsangehörige. Sie hat eine 1994 geborene Schwester, Q. geborene D. Ihre Mutter ist 53 Jahre alt und arbeitet bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt. Ihr Vater verstarb 1997 im Alter von 28 Jahren an einem Herzinfarkt. 2010 heiratete ihre Mutter R. und trägt seitdem dessen Nachnamen.
Die Angeklagte wuchs in E. im elterlichen Haushalt auf und besuchte zunächst die örtliche Grund- und anschließend die Hauptschule.
Im Jahr 2007, noch vor Vollendung ihres 18. Geburtstages, lernte sie S. kennen und beide gingen eine Beziehung ein. Sie arbeitete kurzzeitig für eine Schnellrestaurant-Kette, bei der sie eine Ausbildung begann, die sie schwangerschaftsbedingt abbrach. Am 00.00.00 wurde der gemeinsame Sohn U. geboren, am 00.00.00 heiratete sie S. Als U. im Alter von sechs Monaten in einer Kinderkrippe angemeldet wurde, besuchte die Angeklagte erneut die Schule in der Absicht, das Abitur zu erwerben und Lehrerin zu werden. Obwohl sie gute Noten hatte, verwarf sie auch diesen Plan alsbald wieder und begann stattdessen im Jahr 2010 eine Ausbildung zur Kinderpflegerin, die sie aufgrund hoher Fehlzeiten - bedingt durch notwendige Kinderbetreuungen - nach etwa einem Jahr abbrach. Eine ein Jahr später erfolgte Wiederaufnahme der Ausbildung scheiterte letztlich aus demselben Grund. Eine abgeschlossene Berufsausbildung hat sie nicht. Eine Arbeitsstelle als Aushilfe in einem Hotel gab sie nach kurzer Zeit wieder auf.
In der Ehe der Angeklagten kam es zunehmend zu erheblichen Schwierigkeiten, die letztlich im Jahr 2012 zur Trennung und zu ihrem Auszug aus der Ehewohnung führten. In dieser Zeit verlor sie zunehmend den Halt. Sie besuchte Freundinnen, ging viel aus, hatte wechselnde Männerbekanntschaften und gab U. vermehrt zu seiner Großmutter. Sie führte nur noch kurzzeitig Gelegenheitsjobs aus und lebte überwiegend von Sozialleistungen. Auch erschwerte die Angeklagte den Umgang zwischen U. und seinem Vater, wogegen dieser familiengerichtlich vorging.
Ab Sommer 2013 interessierte sie sich für den islamischen Glauben, las den Koran und konvertierte wenige Monate später.
Im Sommer 2014 lernte sie T. kennen, mit dem sie alsbald eine Beziehung einging und sich - obwohl noch nicht von S. geschieden - nach islamischem Ritus trauen ließ. Kurz darauf zog sie mit U. bei T. ein. Im Frühjahr 2015 trennte sie sich von T. Sie lernte den aus Somalia stammenden V. kennen und ging mit diesem eine Beziehung ein. Beide heirateten nach islamischem Ritus.
Die Ehe zwischen der Angeklagten und S. wurde am 00.00.00 geschieden. Die elterliche Sorge für U. stand weiter beiden Eltern gemeinsam zu.
Ende Juni oder Anfang Juli 2015 reiste die Angeklagte mit U. nach Syrien und hielt sich in der Folgezeit im Herrschaftsgebiet des "Islamischen Staats" auf. Während ihres Aufenthalts in Syrien bekam sie mit dem nachgereisten V. zwei Söhne, den am 00.00.00 geborenen W. und den am 00.00.00 geborenen X.
Zuletzt war sie mit ihren Kindern in kurdischen Lagern in Syrien interniert, wo sie - bei familiärer Vorbelastung - einen Schlaganfall mit einhergehenden Herzprobleme erlitt und stationär behandelt werden musste. Nach zwei Wochen waren die Erkrankungen folgenlos ausgeheilt. Darüber hinaus hat sie bisher weder ernsthafte Erkrankungen noch schwerwiegendere Verletzungen erlitten.
Aufgrund einer Rückholung durch deutsche Behörden kam sie gemeinsam mit ihren Kindern am 7. Oktober 2021 zurück nach Deutschland und befindet sich seit diesem Tag in dieser Sache in Untersuchungshaft.
In der Bundesrepublik Deutschland ist die Angeklagte strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten.
II. Feststellungen zur Sache
1. Die ausländische terroristische Vereinigung "Islamischer Staat"
a. Entstehung und Geschichte der Vereinigung "Islamischer Staat"
Der "Islamische Staat" (IS) ist - wie seine Vorgängerorganisationen "Islamischer Staat im Irak und Syrien" (ISIS) und "Islamischer Staat im Irak" (ISI) - eine von der islamischen Glaubensrichtung der Sunniten dominierte Organisation mit militant-fundamentalistischer Ausrichtung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, durch bewaffneten Kampf einen zumindest das Gebiet de...