Leitsatz (amtlich)
Der nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als außerordentliche Kündigung anzusehende Haustürwiderruf eines Beitritts zu einer Genossenschaft beendet die Mitgliedschaft des Gesellschafters nicht sofort, sondern erst zum Schluss des Geschäftsjahres. Die Verlagerung des Wirkungszeitpunkts dieser außerordentlichen Kündigung auf den Schluss des Geschäftsjahres ergibt sich aus der auf eine nicht geschlossene Mitgliederzahl ausgerichteten Rechtsform der Genossenschaft.
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 05.05.2015; Aktenzeichen 4 O 61/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 05.05.2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Kleve und das ihm zugrundeliegende Verfahren aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über sein Abfindungsguthaben aus der Beteiligung an der Beklagten, die unter der Mitgliedsnummer... geführt wird, bezogen auf den 31.12.2014, zu erteilen und ihm Rechnung zu legen.
Im Übrigen wird die Sache an das LG zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt, soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse, die Beklagte nach dem von ihm erklärten Widerruf seines Beitritts im Wege der Stufenklage auf Auskunft über das Auseinandersetzungsguthaben und dessen Auszahlung sowie auf die Feststellung in Anspruch, der Beklagten zu keinen weiteren Zahlungen mehr verpflichtet zu sein.
Zunächst wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils insoweit Bezug genommen, als diese den Feststellungen des Senats nicht widersprechen.
Das LG hat, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, sowohl den Auskunfts- als auch den Leistungsantrag der Stufenklage als derzeit nicht fällig und die Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen, da der Kläger wegen seines mit Schreiben vom 25.02.2014 wirksam erklärten Widerrufs nicht, wie in dem Feststellungsantrag vorausgesetzt, am 25.02.2014, sondern erst am 31.12.2014 aus der Beklagten ausgeschieden sei. Aber auch eine Feststellung, dass der Kläger der Beklagten seit dem 31.12.2014 keine Zahlung mehr schulde, scheide aus, da der Beklagte seine Einlage noch nicht vollständig eingezahlt habe. Die vorerwähnte Wirksamkeit des Widerrufs ergebe sich aus §§ 312, 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F. Da sich die Beklagte nicht qualifiziert zu dem entsprechenden Vortrag des Klägers erklärt habe, sei davon auszugehen, dass der Kläger seine Beitrittserklärung vom 25.09.2007 gemäß § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. in einer der Beklagten zurechenbaren Haustürsituation abgegeben habe, da der Kläger die für die Beklagte tätige Vermittlerin lediglich als Beraterin für seine Versicherungsverträge und damit nicht gemäß § 312 Abs. 3 BGB zur Vermittlung der streitgegenständlichen Beteiligung an der Beklagten zu sich nach Hause bestellt habe. Dieser Beitritt stelle auch eine "entgeltliche" Leistung im Sinne des § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB dar, da er Kapitalanlagezwecken gedient habe, wie sich nicht zuletzt daraus ergebe, dass der Geschäftsanteil durch vermögenswirksame Leistungen habe eingezahlt werden sollen. Die Widerrufserklärung des Klägers vom 25.02.2014 sei gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F. auch nicht verfristet, da die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei, weil der Widerruf eines Beitritts zu einer Genossenschaft nicht, wie in der Widerrufsbelehrung angegeben, zur Rückgewähr der beiderseits empfangenen Leistungen, sondern zur Beendigung der Mitgliedschaft mit Wirkung für die Zukunft und zur Entstehung eines Anspruchs auf das im Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft bestehende Auseinandersetzungsguthaben führe. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. berufen, da die von der Beklagten verwandte Belehrung von der Musterbelehrung der Anlage 2 der BGB-InfoV abweiche. So enthalte die Belehrung der Beklagten nicht den Satz der Musterblehrung: "Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen Sie innerhalb von 30 Tagen nach Absendung ihrer Widerrufserklärung erfüllen." Zudem verwende die Beklagte die Formulierung: "Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt eines Durchschlages dieser Beitrittserklärung, die diese Widerrufsbelehrung und ihre Vertragserklärung beinhaltet.", statt der der von der Musterbelehrung vorgesehenen Formulierung: "Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung". Entgegen der Meinung des Klägers seien allerdings seine aus dem wirksamen Widerruf folgenden Ansprüche auf Auskunft und Zahlung des Abfindungsguthabens im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 14.04.2015 noch nicht fällig gewesen. Zum einen sei gemäß dem Rechtsgedanken des § 67a Abs. 2 Satz 2 GenG die Mitgliedschaft des Klägers durch seinen Widerruf vom 25.02.2014 ohnehin erst zum Schluss des Geschäftsjahres der Beklagten beendet worden, der gemäß § 38 Abs. 1 S. 1 der Satzung mit dem Schluss des Kalenderjah...