Leitsatz (amtlich)

1. Satzungsbestimmungen einer Genossenschaft, nach denen die Auszahlung eines Auseindersetzungsguthabens ein Mindestkapital der Genossenschaft voraussetzt, sind auf Grund der Entscheidungen des Gesetzgebers (§ 8a GenG und § 73 Abs. 2 Satz 2 GenG) wirksam, auch wenn dies zu einer letztlich unbefristeten Auszahlungssperre zu Lasten des ausscheidenden Mitglieds führen kann. Das Genossenschaftsmitglied wird im Fall einer erstmaligen Verankerung eines Mindestkapitals in der Satzung durch § 67a GenG hinreichend geschützt.

2. § 8a GenG und § 73 Abs. 2 Satz 2 GenG sind auch anwendbar, wenn das Ausscheiden des Genossenschaftsmitgliedes nicht auf einer ordentlichen Kündigung beruht, sondern auf Grund einer außerordentlichen Kündigung oder eines Widerrufs nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft erfolgt.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 04 O 1433/14)

 

Tenor

I. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.01.2018 wird aufgehoben.

II. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Dem Kläger wird anheim gestellt zu prüfen, ob die Berufung - insbesondere aus Kostengründen - in gleicher Frist zurückgenommen wird.

III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert auf 1.556,00 EUR festzusetzen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der beklagten Wohnungsgenossenschaft die Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens in Höhe von - zweitinstanzlich unstreitig - 1.556 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen.

Der Kläger zeichnete im Jahr 2003 in einer Haustürsituation eine Beitrittserklärung als Genossenschaftsmitglied zur Beklagten mit 18 Anteilen zu jeweils 300 EUR, die er nachfolgend ebenso wie ein satzungsmäßiges Eintrittsgeld in Höhe von 270 EUR einzahlte. Zu einem von den Parteien nicht vorgetragenen Zeitpunkt ergänzte die Beklagte ihre Satzung um einen § 17a, mit dem sie ein durch Auszahlung von Auseinandersetzungsguthaben nicht zu unterschreitendes Mindestkapital in Höhe von 3.600.000 EUR festgelegt hat; zugleich wurde die Regelung zur Auseinandersetzung in § 12 der Satzung dahin ergänzt, dass bei Unterschreiten des Mindestkapitals die Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens ausgesetzt ist, bis durch Neueintritte oder Bilanzgewinne die Unterschreitung beendet ist.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 08.05.2012 erklärte der Kläger die Anfechtung seiner Willenserklärung zum Beitritt zur Genossenschaft wegen arglistiger Täuschung sowie die fristlose Kündigung. Zugleich erklärte er, seinen Beitritt nach dem Haustürwiderrufsgesetz zu widerrufen. Die Beklagte wies diese Erklärungen zurück; erklärte jedoch mit Schreiben vom 11.06.2012 die Erklärung des Klägers als satzungsgemäße ordentliche Kündigung zum 31.12.2014 zu akzeptieren.

Zum Stichtag 31.12.2014 betrug das Kapital der Beklagten unstreitig 2.434.780,17 EUR. Das Auseinandersetzungsguthaben des Klägers zum Stichtag 31.12.2014 beträgt unstreitig 1.566 EUR. Zum 31.12.2015 betrug das Kapital der Beklagten unstreitig 2.680.080,17 EUR.

Der Kläger, der erstinstanzlich als Hauptantrag die Zahlung von 5.670 EUR und als Hilfsantrag die Zahlung von 1.566 EUR begehrt hat, hat behauptet, dass ihm gegenüber vor der Zeichnung falsche Angaben zu den Risiken der Beteiligung gemacht worden seien. Er hat die Ansicht vertreten, die Bestimmungen in der Satzung zum Mindestkapital stünden seinem Zahlungsanspruch aus Rechtsgründen nicht entgegen. Die Beklagte habe zudem nicht vorgetragen, welche Bestrebungen sie zur Gewinnung neuer Mitglieder unternommen habe, so dass er auch deshalb die Auszahlung verlangen könne.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Schadensersatzansprüche kämen gegenüber der Genossenschaft nicht in Betracht. Soweit zwischen den Parteien Einigkeit über das Ausscheiden des Klägers aus der Beklagten bestehe, sei der Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens auf Grund der Satzungsregelungen der Beklagten nicht fällig, da das Geschäftsguthaben der Beklagten weiterhin das satzungsmäßige Mindestkapital unterschreite. Die Satzung der Beklagten unterläge keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger nur seinen Hilfsantrag weiter. Bei einer Publikumsgesellschaft wie der Beklagten sei eine Inhaltskontrolle der Satzungsbestimmungen vorzunehmen. § 12 und § 17a der Satzung enthielten den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligende Bestimmungen, sodass der Kläger sein Guthaben in Höhe von unstreitig 1.556 EUR verlangen könne. Es sei nicht abzusehen, wann (und ob jemals) die Beklagte wieder das Mindestkapital erreichen werde. Außerdem habe die Beklagte nicht dargetan, welche Maßnahmen sie ergriffen habe, um dies zu erreichen, so dass sich der Anspruch des Klägers im Fall der Wirksamkeit der Satzungsbestimmungen aus § 162 Abs. 1 BGB ergebe. Schließlich stünd...

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